New Step In Grass & Dunderhead: Bürgerhaus Bühl 2015

New Step in Grass & Dunderhead

Datum: 15.05.2015
Venue: Bürgerhaus Neuer Markt in Bühl
Show: Bluegrass Festival 2015
Website
Autor/Fotograf: Jörg Neuner



Konzertbericht

New Step In Grass & Dunderhead beim European Warm-Up

Bühl (music-on-net) – Nein, es geht nicht darum, hier irgendwelche speziellen Sachen zu rauchen. Das blau-grüne Gras in Kentucky hat dieser Stilrichtung des Country seinen Namen gegeben. Von dort kamen die Urväter des Bluegrass, allen voran Bill Monroe. Einer der letzten Heroen aus der ersten Generation ist heute noch unterwegs: Doyle Lawson. Diese lebende Legende ist mit seiner Band Quicksilver nach 2011 nun zum zweiten Mal in Bühl auf der Bühne; morgen (wenn ich das Konzert leider nicht besuchen kann).

Soviel nur zur Einordnung dieses feinen Festivals im Allgemeinen und der diesjährigen 13. Ausgabe im Besonderen. Altmeister Walter Fuchs, DIE Country-Koryphäe schlechthin, hat einmal mehr seine Verbindungen und Spürsinn spielen lassen und dem Bluegrass-Klassiker fünf weitere Acts unterschiedlichster Prägung aus den Staaten und Europa zur Seite gestellt. Somit werden die Stars & Stripes auf der Bühne diesmal umringt von den Flaggen Frankreichs, Schwedens und Belgiens.

Bluegrass-Bands reisen mit kleinem Gepäck. Gespielt werden ausschließlich Saiteninstrumente, und zwar nur solche ohne Tasten. Ganz klassisch Gitarre und Mandoline, die dann auch gleich für den Rhythmus verantwortlich sind; Drums werden da überhaupt nicht vermisst. Ein Banjo dazu, dann wird‘s noch etwas knackiger.

Der Bass hält wie überall irgendwie alles zusammen, dafür erlaubt er sich mitunter eine Extravaganz: aus gepäcktechnischen Gründen verirrt sich hier und da ein schlanker Upright-E-Bass ins ansonsten streng akustische Setting. Die Fiddle kann das Ganze wunderbar abrunden aber auch in Schwung bringen. Als melodisches i-Tüpfelchen findet man gerne auch eine Dobro – oder politisch korrekt: Resonanz-Gitarre – die dann im Laptop-Stil gespielt wird.

Was den Bluegrass besonders auszeichnet, ist das perfekte Zusammenspiel auf der Bühne. Schon der alte Bill mit seiner Mandoline hat alle Bandmitglieder immer wieder in die erste Reihe geholt. Jeder beherrscht sein Instrument in der Regel äußerst virtous und es reiht sich ein brillantes, improvisiertes Solo an das andere. Begleitet wird das Ganze meist von einem faszinierenden Harmonie-Gesang, denn meist steuert jeder auch noch eine andere Stimme bei. Die typische Aufstellung ist daher eine Reihe Mikrofone auf gleicher Höhe. Oder auch das zentrale Mikro, um den sich die Sänger wechselweise gruppieren oder beim Refrain komplett scharen.

New Step in Grass als Opener

Heute wird das Bluegrass-Festival eröffnet von einer französischen Band: New Step in Grass. Und das ist wirklich – für mich zumindest – ein neuer Schritt, sie singen nämlich teils auf Französisch. Alle europäischen Bands sind normalerweise auf englisch unterwegs. Aber hier: Baguette, et cigarette … wie einst bei den Bläck Föös. Ungewohnt.

Aber es ist immer wieder erstaunlich, wie das Bluegrass-Publikum – das durchweg gesetzteren Alters ist und nicht unbedingt Progressivität ausstrahlt – auch auf etwas schräge oder artfremde Darbietungen begeistert abfährt. Die Halle ist wie üblich freitagabends noch nicht wirklich voll, die altbekannten Gesichter in den ersten Reihen aber alle anwesend. Und heute sind wohl auch besonders viele Gäste aus der recht lebendigen Szene aus dem benachbarten Elsass im Publikum.

Abgesehen von der Sprache bietet die Dreier-Formation eine gute Breitseite Bluegrass, von balladesk (im à Capella-Duett von Jean-Paul Distel und Thierry Lecocq) über tragend (mit gestrichenem Kontrabass von Laurence Gondet), bis hin zu rockig (Lecoq beginnt beginnt den Song auf der Mandoline mit einem gedämpften Drum-Solo und beendet ihn E-Gitarren-mäßig).

Alle drei sind auch am Singen, Lecocq kommt mit der Stimme fast so tief herunter wie Gondet mit dem Bass. Er wechselt auch mal mitten im Lied zur Fiddle, während Distel immerhin auf das Ende des Liedes wartet, um die Gitarre gegen die Dobro auszutauschen und es sich damit auf dem Barhocker gemütlich zu machen.

Für die Zugabe kündigt er dann auf Deutsch an, dass das letzte Lied schottisch beginnt, um dann irisch zu enden. Und er hätte es eigentlich gar nicht sagen müssen, denn man spürt es unwillkürlich: der tiefe Sound des Basses lässt vor dem geistigen Auge eine Dudelsack-Kapelle aufmarschieren. Und als Lecocq wieder mitten im Lied zur Fiddle greift, verwandelt sich die Kapelle in rothaarige Guinness-Trinker.

Solche Erlebnisse hat man beim Bluegrass immer wieder. Schließlich ist der Musikstil ja nicht in Kentucky vom blauen Mond gefallen. So ziemlich jede amerikanische Musik ist ja letztlich aus dem entstanden, was alle möglichen Völker bei der Besiedelung des Kontinents so mit angeschleppt haben. Und so findet sich eben alles dort wieder, von keltischen Liedgut über die finnische Polka bis hin zum Klezmer.

Dunderhead

Und auch die nächste Band des Abends hat sich vor diesem Hintergrund zusammengefunden. Zumindest haben sie sich kennengelernt bei einem Musikprojekt, das sich mit schwedischen Auswanderern beschäftigt. Und nun bilden sie die die jüngste Gruppe, die bislang zur besten europäischen Bluegrass-Band gekürt wurde.

Dunderhead gibt es erst seit 2013, aber sie hören sich an, als wären sie mit schwarzgebranntem Moonshine aufgewachsen und hätten nie etwas anderes gemacht als Bluegrass; den sie allerdings bis fast hin zum Hardrock prügeln.

Blickfang ist zuerst natürlich die zierliche, blondgezopfte Angelina Lundh, die mit Mikael Grund auch den Großteil der Songs schreibt. Und sie hat diese typische helle Country-Stimme, mit der sie mal eben jede Dixie-Chick ersetzen könnte. Sie singt diesen leicht klagenden, klassischen Bluegrass-Sound, aber vor allem im Duett mit Mikael Grund an der Mandoline gibt es auch die fetzigen Nummern, mit denen Dunderhead auch Rock und Pop in Ihre Musik einfließen lässt. Bis in Richtung Hardrock geht es vor allem mit Jimmy Hermannssons Gitarrenspiel. Der sieht in manchen Momenten aus, als würde er nur zum Schülerpraktikum vorbeischauen.

Aber er haut mit einer Begeisterung und Speed in die Saiten, dass er damit mehr als ein Praktikum in jeder Metal-Combo bekäme. Mit einer E-Gitarre würde er glatt die ersten drei Reihen wegblasen.

Der ruhige Gegenpol zu diesem Wirbelwind ist Carl Karlsson am Kontrabass, der eigentlich Jazz-Gitarrist ist. Mandoline und Gitarre dagegen scharen sich immer wieder mal mit dem Banjo zum Rocken zusammen. Und das spielt Anders Ternesten, als hätte er eine E-Gitarre in Händen, vor allem bei seinen Soli.

Die Banjos sind im Bluegrass meist die Spassvögel der Truppe – oder diejenigen, auf deren Kosten die Späße gehen. Und sie müssen andauernd an den Saiten drehen und nachstimmen. Ternesten hat beides aber offensichtlich an Hermannsson delegiert. Dessen Saitenverschleiß ist nachvollziehbar – und das zieht die Späße mit sich, weil er dauernd den Laden aufhält.

Die Zugabe zeigt dann nochmal die Bandbreite des Genres mit Baby Give It Up. Auch die Disco-Sounds der 80er waren eigentlich vom Bluegrass durchsetzt … oder wie war das? Es ist immer wieder erfrischend und wird mit viel Spaß zelebriert, wenn die verschiedensten Songs aller Stilrichtungen auf ein puristisches Bluegrass-Arrangement abgestrippt werden.

Während andere Konzerte dann mit der letzten Zugabe am Ende sind, wird hier beim Festival noch mal richtig aufgedreht: Beim großen Finale mit allen Bands auf der Bühne. Gut, in diesem Fall nur zwei. Next Step in Grass kommt also nochmal dazu, man einigt sich auf einen Song und los geht’s. Und der Song wird dann ordentlich ausgewalzt und wird rumgereicht wie ein … nein, wir wollten ja nichts rauchen.

In munterer Folge erkämpft sich jeder Sänger mal das Mikrophon für eine Strophe … eine Gitarre fetzt ein Solo rein …die Banjos aller Gruppen treten mit- oder gegeneinander an …der Bass haut auch mal richtig rein … die Geige fiddelt eine Gitarre von der Seite an … bis der Song – oder die Spieler – erschöpft sind.

Tja, schade das ich den zweiten Abend verpassen werde.

Aber nächstes Jahr ist auch noch ein Festival: am 13. und 14. Mai 2016.


Konzertfotos | New Step In Grass & Dunderhead



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