Karl Bartos
Datum: 17.02.2024
Venue: Alte Oper Frankfurt, Großer Saal
Autor: Gerald Langer
Maßgeschneiderte Musik für den Klassiker des deutschen Stummfilms
Vor wenigen Tagen habe ich das aktuelle Album von Karl Bartos besprochen.
Heute Abend steht die offizielle Bühnenpremiere in der Alten Oper Frankfurt an. Karl Bartos und Mathias Black präsentieren die, über viele Jahre hinweg von Bartos komponierte, neue Filmmusik in der finalen Fassung von 2023/2024 zum Filmklassiker von Robert Wiene aus dem Jahre 1920.
Das „passgenauae Plakat“ zur Vorstellung an der Alten Oper Frankfurt
Die Alte Oper ist für diesen exklusiven Event seit einigen Tagen ausverkauft. Es soll tatsächlich ein besonderer Abend werden.
Der Film selbst dauert – inklusive Vor- und Abspann – keine 80 Minuten, nicht mehr und nicht weniger. Zugaben wird es infolge dessen nicht geben. Es geht schließlich um Essentielles.
Kurz nach 20:00 wird die Halle verdunkelt. Schnell verschwindet die durch das Publikum erzeugte Nebengeräuschkulisse.
Die beiden Protagonisten betreten die Bühne in dunklen Anzügen. Hinter ihrem, auf einer Tischreihe aufgebautem, Equipment gehen die beiden Klangkünstler körperlich fast unter. Ein bisschen erinnert diese Szenerie tatsächlich an die Inszenierungen von Auftritten der Band Kraftwerk.
Nur gibt es heute keine bewusst monotone Fahrt auf der Autobahn, sondern eine Achterbahnfahrt durch die vom Wahnsinn durchdrungene Welt des Dr. Caligari.
Bei der Rezension des Albums habe ich zunächst den Umweg über die Betrachtung der auf Blu-ray erhältlichen restaurierten Filmfassung von 2014 gewählt. Für die isolierte Beurteilung der Filmmusik hielt ich dies für zwingend erforderlich.
Heute Abend endlich greifen die zeitgemäße Filmmusik und die auf Großbildleinwand präsentierte 4K-Fassung des im Auftrag der Murnau-Stiftung restaurierten Films perfekt ineinander und verleihen dem Cabinet des Dr. Caligari eine unglaublich gesteigerte Dramatik.
Man kann hören und spüren, wie der dem Film innewohnende Rhythmus der einzelnen Szenen und Filmschnitte in die Kompositionen von Karl Bartos eingeflossen ist. Ich ertappe mich dabei, wie meine Beine einige Male mitzuwippen versuchen.
Noch auffälliger ist die, gegenüber dem auf Tonträgern und über Streamingdienste erhältlichen Soundtrack, deutlich verstärkte Tonspur für das filmische Geschehen selbst.
Gespräche werden vertont, allerdings so abstrakt, dass keine ganz klare und einwandfreie Wortidentifizierung möglich ist, also der Stummfilm als eigenständige Kunstform nicht im Nachhinein zu einem Tonfilm transformiert wird.
Es gibt während der Präsentation natürlich keinerlei Zwischenapplaus, dafür ganz viel am Ende der Vorstellung.
Da ich bei der Rezension des Soundtracks nicht darauf eingegangen bin, ich es auch nicht wusste, ein ergänzender Hinweis:
Es gibt limitierte Sondereditionen des Albums, die genau das enthalten, was für mich die logische Konsequenz darstellt. Nämlich die Filmfassung mit der neuen Filmmusik von Karl Bartos.
Er hat schließlich 100 Jahre nach Veröffentlichung des Filmes einen akustischen Maßanzug für ein Filmjuwel geschneidert.
Merchandising und Signatur
Offizielle Bilder
Nachfolgende Bilder werden hier mit Erlaubnis des Erstellers und der Alten Oper Frankfurt publiziert:
Fotos: © Alte Oper Frankfurt/ Wonge Bergmann/ Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden
Ich erlaube mir an dieser Stelle das Schlusszitat von Karl Bartos am Ende des Filmabspanns zu präsentieren:
„Vordergründig handelt die Geschichte von der Suche nach der Wahrheit. Am Ende stellen wir allerdings überrascht fest, dass es vielmehr um das Verschwinden der Wirklichkeit geht.
So haben es die Menschen 1920 empfunden.
Und genau so empfinden wir heute wieder.
Und deshalb denke ich, hat uns das Cabinet des Dr. Caligari auch nach 100 Jahren noch etwas zu sagen.“