Hafensommer Würzburg 2016
Datum: 22.07. bis 07.08.2016
Venue: Hafentreppe Würzburg
Show: Hafensommer Würzburg
Autor/Fotograf: Gerald Langer
Inhalt
Festivalbericht mit Bildergalerien
Würzburg (music-on-net) – Der Hafensommer Würzburg 2016 ist nun vorbei. Wer hätte im Januar, nach plötzlicher Mitteilung notwendig erscheinender Trockendockarbeiten daran geglaubt , dass das besondere Musikfestival in Würzburg tatsächlich noch stattfinden wird? Der Stadtrat von Würzburg hat sich dann mehrheitlich – quasi gegen die eigene Verwaltung, die ihn bereits abgeblasen hatte – geradezu empört für den Hafensommer entschieden. Gut für diejenigen, die dieses kulturelle Ereignis in der Stadt Würzburg schon seit Jahren zu schätzen wissen oder aufgrund der dadurch ausgelösten außerordentlichen Medienpräsenz endlich einmal kennenlernen wollten.
Ich war – bis auf den Eröffnungstag und den letzten Samstag mit Bella Ciao – jeden Abend an der Hafentreppe. Die Zahl der von mir wahrgenommenen Stadträte und Stadträtinnen lässt sich locker an einer Hand abzählen. Die Empörung über das „Nicht-gefragt-worden-sein“ zu Beginn des Jahres war bei den gewählten Volksvertretern wohl stärker ausgeprägt als letztlich das Interesse an unterschiedlichsten Veranstaltungen, die verstärkt auch auf Künstler aus der Region zurückgriffen.
Doch nun zu meinen ganz persönlichen Eindrücken, die ich über die leidenschaftlich betriebene Konzertfotografie hinaus am Bühnenrand sammeln konnte.
Trotz miesen Wetters kurz vor dem Auftritt von Klaus Doldinger’s Passport markiert dieses nahezu ausverkaufte Konzert einen gelungenen Auftakt des Hafensommer Würzburg und legt damit auch die Messlatte für all diejenigen Künstler und Künstlerinnen, die danach kommen sollten, sehr hoch. Insofern tut sich bei mir die etwas melancholische Aline Frazão am Sonntagabend zunächst etwas schwer, spielt aber eine wirkliche sehr gute zweite Halbzeit. Manchmal muss man geduldig sein und eben etwas ausharren.
Meine liebe Not habe ich mit dem darauf folgenden Montagabend. Das Experiment „Comedy Lounge meets Jazz“ kann ich leider nicht als besonders geglückt bewerten.
Hier treffen doch sehr unterschiedliche Welten aufeinander, die nicht so recht zusammenzupassen scheinen. Für die Bigband der Hochschule für Musik Würzburg unter Leitung von Marco Lackner hätte ich mir gerne einen ganzen Abend freigehalten. Ich will ganz ehrlich sein – Comedy ist im allgemeinen nicht so mein Fall. Wenn überhaupt, sollte man ihr einen kompletten Abend einräumen, um mit diesem Format möglicherweise ein anderes Besucherspektrum anzusprechen.
Der „Junge Hafen by Sparda“ hat mich am Abend voll und ganz überzeugt. Tagsüber kann ich an den anderen Veranstaltungen – Workshops und Young Harbour Open Stage – berufsbedingt leider nicht teilnehmen. Die Hussein Mahmoud Group als auch Abou Fakher – Schneider – Hermes haben bei miesem Wetter für einen weiteren unvergesslichen Abend gesorgt.
Le Millipede liefern kunstvollen Minimalpop mit Gebläse und bereiten nebenbei auch auf weitere musikalische Attraktionen aus dem Hause Acher & Acher (Notwist) vor. Der sich anschließende Auftritt von Aino Löwenmark lässt mich allerdings eher etwas ratlos zurück.
Rokia Traoré am Donnerstagabend ist hingegen fulminant und empfiehlt sich aus meiner Sicht dringend für das Internationale Africa Festival auf der anderen Mainseite.
Der Freitagabend ist dem Label „Alien Transistor“ vorbehalten. Sauber aufeinander abgestimmter Auftritte von Saroos und The Notwist – Max(imale) Punktezahl heisst der Gitarrist und Keyboarder, der in beiden Bands spielt, zurecht.
Der Samstagabend bietet im Vorprogramm Maarja Nuut, deren Album ich mir kurz vor dem Konzertbeginn zu Gemüte geführt habe und zu einer gewissen „Voreingenommenheit“ bei mir führt. Der Auftritt der Estin schlägt bei mir dann die Brücke in ihr besonderes Klanguniversum.
Großartig – ich hatte nichts anderes erwartet – das Michael Wollny Trio, das Begeisterungsstürme auf der Hafentreppe auslöst.
Der Sonntagabend ist alles andere sommerlich. Entsprechend wenige Besucher haben sich eingefunden. Karo erreicht ihre Hörer dennoch mit ihrem Soloprogramm. Hundreds schicken danach für eine gute Stunde ihren Electro-Pop zu einer etwas problematischen Lightshow, die Sängerin Eva Milner meist mit einem Schatten im Gesicht versieht, in den Würzburger Nachthimmel.
Der Montagabend mit den 17 Hippies sorgt für beste Stimmung auf der ausverkauften Hafentreppe, die wieder einmal zum Beben gebracht wird.
Dienstagabend tritt im ersten Teil des D0ppelkonzert-Abends Daniel Biscan mit seiner Band auf. „Eine Frage von Raum und Zeit“ heißt sein aktuelles Album, mit dem er seit Herbst 2015 regelmäßig im Vorprogramm von Nena unterwegs ist und deutschlandweit auf gute Kritiken verweisen darf.
Die nachfolgenden Dänen Afenginn mit ihrem finnischen Mastermind Kim Rafael Nyberg und dem Würzburger Chor New Future überzeugen auf ganzer Linie. Ich hatte zuvor schon meinen Hörtipp zu ihrem aktuellen Album OPUS abgegeben.
Der Mittwochabend beim Hafensommer Würzburg 2016 hält noch jede Menge freier Sitzplätze parat und bietet zwei sehr unterschiedliche, im Jazz wurzelnde Auftritte des schweizerischen Julie Campiche Quartets und des deutschen Julia Kadel Trios. Beide Julias junge Künstlerinnen, aber mit ganz unterschiedlicher Arbeitsweise. Gelingt Julie Campiche mit ihrem Quartet das Schaffen einer ganz besonderen Atmosphäre mit akustischen und elektronischen Mitteln, setzt die Berlinerin Julia Kadel in Trio-Besetzung mehr auf den eigenen harten Anschlag des großen Flügels und auf die von ebenso starker Mimik und Gestik getragene Aktivität ihres Drummers Steffen Roth. Bei aller gezeigter Virtuosität mag dennoch bei mir der Funke nicht so recht überspringen, der Respekt für „das Besondere“ bleibt.
Dhafer Youssef punktet nicht nur bei mir. Die Randbedingungen, unter denen er spielen muss, sind schlichtweg übel. Es regnet in Strömen, die Besucher haben sich zunächst unter das, nur etwas Schutz gewährende, Vordach des Heizkraftwerkes zurückgezogen. Nach und nach kommen sie beschirmt auf die Hafentreppe und erfreuen sich an Fusionsmusik mit himmlischer Stimme von Dhafer Youssef, seiner Oud und seiner famosen Band. Für mich – auch wenn ich nicht ein einziges Foto hätte schießen können – ein klares Highlight des diesjährigen Hafensommers.
Auch der „Culture Clash“ des Amerikaners Joe Driscoll und des Kora spielenden Sekou Kouyate erfüllt meine Erwartungen. Am Samstag gönne ich mir bei Bella Ciao die längst überfällige Verschnaufpause, um am Sonntagabend das große ausverkaufte Finale mit Alpenrocker Hubert von Goisern mitzuerleben.
Der Österreicher lässt es wahrlich krachen. Mir ist das mehr als zweistündige Konzert zwar stellenweise etwas zu laut, dennoch überrascht mich die Bühnenpräsenz des 63-jährigen mit ausdrucksstarkem Gesicht.
Und dann ist da noch ein Security-Mitarbeiter, der mir über zwei Wochen als durchaus freundlich aufgefallen war. Am letzten Tag reagiert er nicht nur mir, sondern vielen anderen Gästen gegenüber, unwirsch, schlägt dabei den falschen Ton ein und erntet vielerorts Kopfschütteln. Ich beobachte ihn eine gute Stunde lang, wie er im Bereich der oberen Empore „für Ordnung sorgt“. Bei allem Einsehen für Sicherheit und das Freihalten von Flucht- und Rettungswegen ist sein Auftritt – nicht nur etwas – daneben.
Unterm Strich überwiegen dennoch wunderbare Erinnerungen an erlebnisreiche zwei Wochen beim 10. Hafensommer Würzburg 2016.
Das Programm war vielfältig, dem Wunsch nach mehr Künstlern aus der Region ist die Festivalleitung hörbar nachgekommen. Die Zahl der Besucher dürfte sich bei 9.600 eingependelt haben und liegt damit auch über den rechnerischen Werten am Ausweichstandort auf den Mainwiesen.
Hafensommer Würzburg – der Standort
Ja, die Hafentreppe ist natürlich ein architektonisch prägnanter Standort für den Hafensommer.
Doch es gibt auch ausreichend Stimmen, die dem Ausweichstandort auf den Mainwiesen noch immer sehr viel Positives abgewinnen können. Sei es der gemütliche, hofartig gefasste Gastbereich, sei es der Sitzkomfort, der natürlich auf den blanken Betonstufen gerade den Dauerkartenbesitzern besonderes Sitzfleisch abverlangt. Erworbene oder mitgebrachte Unterlagen können den Schmerz aufgrund der ergonomischen Unzulänglichkeiten der Blockstufen kaum abmildern.
Hafensommer Würzburg – das Wetter
Das Wetter beliebt bei einem zweiwöchigen Open-Air ein Unsicherheitsfaktor. In diesem Jahr war es besonders schlecht, so dass wahrscheinlich die spontanen Ticketverkäufe an der Abendkasse nicht allzu umfangreich ausgefallen sein dürften.
Hafensommer Würzburg – die Terminierung
Das Zeitfenster des Hafensommers liegt einigermaßen fest – Ende Juli / Anfang August. Dennoch wäre es begrüßenswert, wenn man es, wie zu Beginn der Veranstaltungsreihe, z. B. mit Kinoabenden oder auch einmal Ruhetagen, unter Beachtung der Auswirkung auf die Produktionskosten etwas strecken könnte.
Die Macher des Hafensommers
Der Kulturreferent der Stadt Würzburg hat sich vor dem Beginn des Abschlusskonzertes von Hubert von Goisern sehr ausführlich bei all den Mitwirkenden bedankt und damit ein deutliches Zeichen gesetzt, dass die Stadtverwaltung Würzburg nach wie vor hinter dieser Veranstaltung steht und auch der zurückliegende Hafensommer viele Gesichter hat. Einige von Ihnen durfte man auf der Bühne betrachten. Insofern bin ich zuversichtlich, dass es einen Hafensommer Würzburg 2017 geben wird. Ich könnte mir vorstellen, dass die nächsten Monate durchaus von Trockendockarbeiter geprägt sein werden, aber den Hafensommer als solchen nicht in Frage stellen.
Freundeskreis Hafensommer
Das Engagement des seit einigen Monaten aktiven Freundeskreises Hafensommer hätte während der vergangenen zwei Wochen durchaus etwas mehr Aufmerksamkeit verdient.
Um erst gar keine Spekulationen aufkommen zu lassen:
Ich gehöre dem Freundeskreis Hafensommer als Mitglied zwar nicht an, respektiere und schätze aber die Impulse, die er zu geben in der Lage ist, durchaus. Mögen sie künftig immer auf offene Ohren treffen.
Konzertfotografie beim Hafensommer
Für mich ist der Hafensommer Würzburg mein „Marathonlauf“, wenngleich ein Spaziergang bestimmt auch für mich gesünder wäre als irgendwelche schwerfälligen Verrenkungen am Bühnenrand oder sonst wo auf dem Gelände. Die Zusammenarbeit mit Ulf Cronenberg war, wie die Jahre zuvor, wunderbar und immer auch erfrischend. Und damit meine ich nicht nur das „Bier danach“.
Wenn die mit unseren Bildern gefütterte Galerie den einen oder anderen neugierig auf den Hafensommer Würzburg macht, haben auch wir unseren kleinen Beitrag geleistet zu einer kulturellen Einrichtung, die wir, nicht nur der Fotografie wegen, nicht mehr missen möchten.
Und solange es noch irgendwie geht, „knipsen“ wir weiter. So long!
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