Sparks & Visions 2023
Datum: 27.01. – 29.01.2023
Venue: Theater Regensburg
Initiatorin: Anastasia Wolkenstein
Autor: Gerald Langer
Inhalt
Festivalbericht
Sparks & Visions feierte im Theater Regensburg am letzten Januarwochenende Premiere.
Das Programm des dreitägigen internationalen Jazzfestivals war höchst attraktiv. An jedem der drei Abende durften die Gäste drei unterschiedlichen Formationen des zeitgenössischen Jazz lauschen.
Eine Stunde Spielzeit und eine halbe Stunde Umbauzeit bzw. Verschnaufpause waren die rein organisatorischen Rahmenvorgaben. Natürlich gab es dabei auch immer wieder leichte zeitliche Verschiebungen, die ihre Ursache mehrheitlich in den seitens des Publikums gewünschten Zugaben gefunden haben dürften.
Für alle Beteiligten ein erfreuliches Indiz dafür, dass das Sparks & Visions offensichtlich Freude bereitet hat, der berühmte Funke zum Publikum sehr häufig überspringen konnte.
Die Location, der im klassizistischen Stil als Rangtheater zum Jahrtausendwechsel sanierte Neuhaussaal, bot optisch nicht nur einen äußerst festlichen Rahmen, sondern auch eine hervorragende Raumakustik, die von den beschäftigten Tontechnikern perfekt genutzt werden konnte.
Ein idealer Ort also für Livemitschnitte, die der Bayerische Rundfunk hier tatsächlich auch getätigt hat und die – als Zusammenfassung des Festivals – am 04.02.2023 von 18:05-22:00 Uhr in Auszügen in einer Sondersendung auf BR Klassik präsentiert werden.
Die ebenfalls erwähnenswerte Bühnenkunst stammte von Karl Iaro, der mit einem riesigen Mobile aus runden Plexiglasscheiben über der Bühne eine äußerst interessante, leicht psychedelisch anmutende, Lichtgestaltung der Bühne möglich machte. So konnte man beim Sparks & Visions 2023 abschalten und beim Zuhören gleichzeitig ins Träumen geraten.
Die Künstler:innen des Sparks & Visions 2023:
Das gesamte Line-up war stark geprägt vom ECM-Plattenlabel, was von vornherein Qualität erwarten ließ.
Freitag, 27.01.2023
Julia Hülsmann „Heaven Steps To Seven“
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Dem Septett um Komponistin, Lyrikerin und Pianistin Julia Hülsmann gelang erwartungsgemäß ein famoser Auftritt zum Beginn des Festivals. Die Formation spielte zwar schon im letzten Jahr beim Sommerfest des Bundespräsidenten, an diesem Freitagabend feierte die Band um die Wahlberlinerin ihre Bühnenpremiere.
Mit drei herausragenden Sängerinnen ausgestattet, wagt man sich neben Eigenkompositionen auch an Cover von Joni Mitchell’s Woodstock und Come Together der Beatles.
Fröhlichkeit, Konzentration, aber eben auch der gegenseitige Respekt beherrschten die Bühne gleichermaßen.
Mehrfach erwähnte Julia Hülsmann auch die Schlagzeugerin Eva Klesse, die hinter ihrem Drum-Set und davor positionierten Notenständer geradezu optisch abgetaucht war. Ein passables Foto von ihr an ihrem „Arbeitsplatz“ gelang mir leider nicht.
Klesses Schlagzeugspiel selbst war natürlich allzeit präsent, nicht nur bei Hearts On Hold, einer Eigenkomposition, die im Lockdown entstanden ist und die man auf ihrem 2022er Album Songs Against Loneliness finden kann.
Hülsmann mag Kooperationen, wird in diesem Jahr sowohl mit Trio, Quartett als auch mit Oktett auf der Bühne stehen. Sie ist mittlerweile eine Grand Dame des deutschen Jazz, mit der jeder gerne zusammenspielen möchte. Nicht nur beim Sparks & Visions in Regensburg.
Linda Fredriksson
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Linda Fredriksson überraschte mich – vor dem ersten gespielten Ton – zunächst einmal optisch. Zierlich, in einem an Batikmuster der 1970er Jahre erinnernden kurzärmligen Zweiteiler, will man nicht glauben, welche Töne diese, mich äußerlich an die Erzählwelt von Astrid Lindgren, erinnernde Finnin ihren Saxophonen zu entlocken in der Lage ist.
Spätestens bei Neonlights, das Fredriksson den „transgender people“ widmet, dürfte den meisten Hörer:innen klar geworden sein, dass dieses Thema sie selbst als nicht-binäre Person auch unmittelbar betrifft.
Die junge Finnin wird seit Jahren immer wieder für Musikpreise nominiert, gewann bereits den einen oder anderen.
Fredriksson ist in zahlreichen Formationen aktiv (gewesen), unter anderen Mopo, Superposition!, Ricky-Tick Big Band, Njet Njet 9 und The Northern Governors.
Mit Juniper, das sie an diesem Abend vorstellte, liefert sie mit knapp 38 Jahren ihr Debütalbum ab, das sie zwar weitgehend alleine eingespielt hat, bei Sparks & Visions mit Tuomo Prättälä (keys), Mikael Saastamoinen (bass) und Olavi Louhivuori (drums) präsentierte. Ein faszinierender Auftritt!
Enemy
Das Modern Jazz-Trio um Kit Downes sorgte zu vorgerückter Stunde für einen würdigen Abschluss des ersten Abends beim Sparks & Visions 2023.
Der begehrte Pianist begann zuerst solo an der Hammondorgel, bevor sich Frans Petter Eldh (bass) und James Maddren (drum) nach und nach zuschalteten.
Maddren feierte an diesem Freitag seinen 36. Geburtstag und strahlte über beide Backen. Zusammen mit dem in Berlin lebenden Schweden Eldh sorgte er für die Rhythmen, während Downes, häufig mit dem Rücken zu Publikum, munter zwischen Hammond und Piano wechselte. Einige der präsentierten Tracks waren eng miteinander verwoben.
Beim Sparks & Visions stand das im Jahr 2022 bei ECM erschienene Trio-Album Vermillion im Mittelpunkt. Das von Downes, in der Anmoderation Anastasia Wolkensteins erwähnte, Orgel-Solo-Album Obsidian werde ich mir jedenfalls noch zu Gemüte führen müssen.
Samstag, 28.01.2023
Elina Duni & Rob Luft feat. Corrie Dick
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Die charmante Elina Duni präsentierte ihr gut einstündiges Set mit kurzen Erklärungen ihrer Songs. Zur Seite standen ihr der britische Gitarrist Rob Luft und der Schlagzeuger sowie der schottische Perkussionist Corrie Dick.
Elina Duni prägte diese Songs durch multilingualen Gesang, der sich zwischen Schwizerdütsch und Albanisch bewegt. Verstehen können wohl nur die wenigsten Gäste ihre Texte, ihre Singstimme überzeugt indes von Titel zu Titel mehr. Starke Körpersprache von Duni, nicht nur bei Wayfairing Stranger, dem Folksong, bei dem Drummer Corrie an das Piano wechselte.
Insgesamt ein eher ruhiger, dennoch farbenreicher Auftritt der albanisch-schweizerischen Jazzsängerin, die auch an Geige und Klavier ausgebildet wurde, beim Sparks & Visions ab und dann ihr kleines Keyboard barfuß stehend bediente.
Santa Diver
Santa Diver sind ein das Publikum forderndes ungarisches Trio, das mitnichten mit Folkmusik glänzte, sondern einen Klangkosmos geschaffen hat, der zumindest stellenweise an die amerikanische Performance-Künstlerin Laurie Anderson erinnert.
Die Jazzviolinistin Kézdy Luca bearbeitete ihre Geige nicht nur wie ein herkömmliches Streichinstrument, sondern zupfte und schlug deren Saiten wie eine Miniaturgitarre. Die so erzeugten Klänge wurden geloopt oder sonst wie elektronisch verfremdet.
Mit David Szesztay (bass) und David Szegő (drums) sind Santa Diver als Grenzgänger unterwegs, die sich – oh, wie schön – gängigen Schubladen entziehen, stattdessen das Soundexperiment bevorzugen.
Kamaal Williams
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Als „Jazzwunder“ wurde Kamaal Williams von der Presse schon tituliert. Mit 34 Jahren war er wohl einer der Jüngsten der bei Sparks & Visions vertretenen Künstler:innen.
Allerdings haftete ihm neben seinem zweifellos vorhandenen Talent, zumindest an diesem Abend, eine ebensolche Schnoddrigkeit an.
Das vergleichsweise kurze Set begann Williams mit einem Intro am, im Bühnenrückraum platzierten, Piano, bevor er nach einigen Minuten an das erhöht stehende Tasteninstrumentarium auf der linken Bühnenseite wechselte.
Zunächst etwas „small talk“ mit dem Publikum – „ist Regensburg „city oder town?“, dann folgte ein dichtes Trio-Set, bei dem vor allem Jay Phelps an der Trompete Glanzpunkte setzte, Samuel Laviso am Schlagzeug in den Dialog mit Kamaal Williams trat, an zwei Stellen laut lachte, was vermuten ließ, dass das Set für die Beteiligten auf der Bühne etwas unkontrolliert, leider auch irgendwie etwas lustlos verlief.
Ich bin mir sicher, dass diese Formation eigentlich sehr vielmehr zu liefern in der Lage ist. Beim Sparks & Visions war es am Ende eher eine Kostprobe als ein rundum überzeugender Auftritt. Schade!
Sonntag, 29.01.2023
Veronika Harcsa „Debussy Now!“
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Wirklich keine leichte Kost, die Veronika Harcsa mit glasklarer Stimme, die gerne zu höchsten Gipfeln empor schwingt, am frühen Sonntagabend präsentierte.
Die ungarische Gesangkünstlerin, die zwar zentral, aber eher im hinteren Bereich der Bühne, stand, wurde begleitet von Márton Fenyvesi an der E-Gitarre, die er allerdings nur selten nutzte, dafür umso mehr am elektronischen Equipment herumschraubte.
Ihre Kollegin Anastasia Razvaljaeva an der Harfe gab sich konsequenterweise mit dem bloßen Zupfen der Saiten ihres Instrumentes auch nicht zufrieden.
Das Programm „Debussy Now!“ klang ambitioniert, auch experimentell. Stilistisch darf man es eher bei der Oper einsortieren als im durchaus weiten Kosmos des Jazz.
Für das Trio war der Auftritt beim Sparks & Visions 2023 in Regensburg die deutsche Bühnenpremiere.
Benjamin Lackner Quartett
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Im Vorfeld war das Quartett um Benjamin Lackner bereits als „“Supergroup“ apostrophiert worden.
Ein solcher Terminus weckt beim Zuhörer sofort hoher Erwartungen, die nicht immer vollumfänglich erfüllt werden können.
Das Benjamin Lackner Quartett setzte im Theater Regensburg beim Sparks And Visions einen herausragenden Schlusspunkt nach 27 Auftritten im Rahmen der Tour anlässlich der Veröffentlichung ihres gemeinsamen Debütalbums Last Decade und begeisterte das Publikum ob der Spielfreude.
Lackner ließ genügend Raum für Soli der mitspielenden ECM-Künstler Mathias Eick (tr), Jerôme Regard (b) und Manu Katché (dr).
Ein Fest für die Ohren und sicherlich einer der vielen Höhepunkt des Festivalprogramms vom Sparks & Visions 2023.
A Novel Of Anomaly
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Andreas Schaerer gelang mit seinem Projekt A Novel Of Anomaly ein wahrlich würdiger Abschluss der Konzertreihe im Rahmen des Sparks & Visions 2023.
Der schweizerische Stimmakrobat ist mehr als nur „Sänger“ in dieser eingespielten Formation, die bei aller Kunst auch unglaublich locker und dennoch sehr präzise optische und akustische Qualität lieferte.
Gegen Ende des Sets forderte Schaerer das begeisterte Publikum erfolgreich zum Tanzen auf.
Gerne hört man auf einen charmanten Frontmann der besonderen Art, der Trompete – ohne eine Trompete halten zu müssen – zu spielen in der Lage ist. Der Vokalist ist darüber hinaus eine lebende Beatbox, ein Geräuschemacher und nahezu andauernd in Bewegung.
Mit Luciano Biondini (accordeon), Kalle Kalima (git) und dem virtuosen Lucas Niggli (drums) gab es sogar einige rockende Momente.
Ich selbst bin glücklich, diese Formation nach ihrem leider etwas verregneten Auftritt beim Würzburger Hafensommer 2022 unter dem dichten Dach des Theaters Regensburg nochmals erlebt zu haben.
Sparks And Visions 2023, ich möchte diesen Slogan etwas freier mit Funken der Hoffnung übersetzen, hat in schwierigen Zeiten, ein Ausrufezeichen (!) gesetzt:
Man kann tatsächlich trotz der Folgen der hoffentlich überstandenen Pandemie, trotz der angespannten gesamtwirtschaftlichen Lage aufgrund des Krieges in der Ukraine, trotz der vielerorts beim Publikum eingesetzten Lethargie, kulturelle Events von diesem inhaltlichen Format erfolgreich durchführen.
Dazu bedarf es neben einer gehörigen Portion Mut natürlich vieler Sponsoren, die vor allem finanziell die Ticketpreise für Interessierte in einem erträglichen Rahmen halten.
All das hat beim Sparks & Visions 2023 erkennbar funktioniert.
Man darf davon ausgehen, dass aufgrund der durchweg guten Resonanz des Publikums, soweit ich sie richtig wahrgenommen und gedeutet habe, ein Sparks & Visions 2024 möglich sein sollte.
Sehr gerne wäre ich dann wieder dabei.