Sean Webster Band
Datum: 13.04.2024
Venue: Blues-Club Baden-Baden
Website: www.seanwebsterband.com, www.seanwebstersbluesallnighter.com
Autor/Fotograf: Jörg Neuner
Line-up
Sean Webster – vocals, guitar
Guus Strijbosch – bass
Paul Jobson – keyboards
Fokke de Jong – drums
Konzertbericht
Kontraste Dynamik Animals
Das wird jetzt schwierig. Ganz viele Gegenpole. Wie ein wirrer Haufen Magnete, die sich gerade noch zappelnd voneinander abstoßen, um im nächsten Moment als Perfect Match zusammen zu schnappen.
Hatte das Konzert jemand als Highlight auf dem Schirm? Dem Andrang nach eher nicht so – aber es ist ja auch ein unerwarteter Sommerabend im April, an dem Spontanisten eher den Biergarten ansteuern und nicht den Löwen in Lichtental. Spontan dafür die Reaktionen des Publikums, das in der Pause einen total geflashten Eindruck macht ob des ersten Sets, das es gerade erlebt hat.
Geflasht haben die Sound-Kontraste zwischen hart und weich, rau und harmonisch, rhythmisch und melodisch – und die gehen im zweiten Set genauso weiter. Sean Websters kratzige Stimme und seine hell leuchtende PRS Sunburst sind zwei permanent wechselnde Gegenpole. Die Stimme ist aber durchaus modulierbar in ihrer Rauheit. Dazu ist die Gitarre dann Gary-Moore-melodisch unterwegs oder klimpert unverzerrt akustisch daher. Dann singt er weich und melodisch – und die verzerrte Gitarre steuert hart dagegen. Aber – passt. Kleine Speed-Einlagen gibt es durchaus auch. Und das alles kann im gleichen Song passieren.
Aber, wer ist das eigentlich – Sean Webster Band? Die Information ist irgendwie dünn. Es taucht etwas von UK auf, aber sein Englisch ist so garnicht britisch. Bandmitglieder werden nirgends erwähnt. Das Line-up vom 2021er Live-Album hat nichts mit der Truppe da oben auf der Bühne zu tun – dafür spielen sie aber sowas von tight in allen Lagen, egal ob die Band den Hintergrund für Websters Gesang und ausgedehnte Gitarrensolos bildet oder bei den äußerst spannenden Call-and-response-Einlagen.
Als Websters Gitarre anfängt, Paul Jobsons Keyboard anzumachen, läuten bei mir ein bis zwei Glocken – die Erwiderung von Jobson und das sich entspinnende Geflecht von Saiten und Tasten, mal im Duett, mal als Duell, lassen zum einen die Allman Brothers aufblitzen. Dann hilft mir Andrea vom Blues-Club auf die Sprünge, dass Jobson letztes Jahr schon mit Kai Strauss hier war. Und genau da gab es auch dieses spannende Ding zwischen Gitarre und dem Keyboard.
Wenn man sich dann im Internet ein bisschen durch die Namen klickt, stößt man auf Sean Websters Blues Allnighter in Holland. Auf der zweiten Ausgabe dieses Festivals spielen eben Straussens Electric Blues All-Stars, zu denen neben Jobson auch Bassist Kevin DuVernay und Saxophonist Thomas Feldmann gehören, die beide auch schon mit der First Class Blues Band hier an der Oos waren. Also irgendwie eher ein Netzwerk als eine feste Band. Dann tauchen da auch die Holländer um Leif de Leeuw auf, der gerade erst das Löwen-Publikum begeistert hat. Und der New Yorker Poppa Chubby, der auch schon mehrmals da war. Also: der Blues-Club Baden-Baden nimmt in der Blues-Szene einen gut vernetzten Platz ein.
Was die dominierenden Klangbilder angeht, spielt Jobson neben Webster auf jeden Fall die zweite Geige – von schwebenden Klangteppichen über akzentuierte Pianoperlen bis hin zu knackigen Elektronik-Beats, die alle ihren Platz in Websters umfangreichen Soundkosmos finden.
Meine Kamera kommt heute Abend nicht vom Bassisten los. Bislang war Mario Cipollina von Huey Lewis & The News für mich DAS Urbild von Bass-Coolness: Sonnenbrille, Kippe im Hals und keinerlei Bewegung außer in den Fingern. Dazu kam dann oben erwähnter Kevin Du Vernay, der sich verträumt an seinem Fender Jazz Bass festhält, um nicht von der Bühnen zu entschweben.
Jetzt steht hier Guus Strijbosch, und ich habe eine neue Bass-Ikone. Mit einem Jazz Bass wie ein alter, echter Harley Chopper: laanges schlankes front-end, glaubwürdig abgewetzter Lack, demontiertes Pick-Guard. Und genauso spielt er ihn auch – niedrigste Drehzahl, deutlich vernehmbar und völlig laid-back. Bewegung wie Cipollina, nur zwei Finger auf den beiden tiefen Saiten. Dazu grauer Pferdeschwanz, Ziegenbart und natürlich Sonnenbrille. Stoisch bollert der Chopper den Takt vor, egal ob der Frontman gerade schroffe Gitarren-Riffs zimmert oder nur mit Stimme melodisch unterwegs ist.
Bei der ganzen Begeisterung für das optisch-akustische Bass-Kunstwerk ist mir der Drummer fast entgangen. Etwas ungewohnt in der hinteren linken Ecke platziert, ist er für mich kaum sichtbar hinter den linken Boxen, vor denen ich mich meist tummle zwecks gutem Blick auf die Gitarren. Und ohne Solos verschwindet der Drummer dann gerne etwas im Rhythmus-Fundament des Hauses. Aber wenn ich mich hinter die Boxen begebe, sehe ich wie Fokke de Jong durchaus Spaß an seiner Arbeit hat und sich mit Sean Webster den einen oder anderen Schlagabtausch liefert.
Mit der Zugabe fährt die Webstersche Dynamik über zehn Minuten dann gaanz langsam bis auf Null runter … im ersten Drittel von Rather Go Blind dürfen alle nochmal zuschlagen … noch ein langes Gitarren-Solo, das mit viel Sustain leise nachhallt … Websters Stimme raspelt gaanz sachte die letzten Späne … am Ende nur noch akustisch neben dem Mikro …
…
Schlusswirbel über die Cymbals … wir holen wieder Luft.
Das andächtigste Konzertende ever.
Livetermine | Sean Webster Band
25.4. Wunderbar Weitewelt, Eppstein
26.4. Strandbar 51, Winterbach
27.4. Ducsaal, Freudenburg
28.4. Haus Eifgen, Wermelskirchen
04.5. Blues Garage, Hannover
31.5. Poppodium Bolwerk, Sneek, NL
Setlist | Sean Webster Band
Set 1
You Got To Know
Til Summer Has Gone
Forever Gone Away
I Put A Spell On You
Make It Through The Heartache
Your Eyes On Me
I was Wrong
Set 2
Not You And Me
I’ve Got The Blues
You Should Probably Leave
Hear Me Now
Highway Man
Encore
Rather Go Blind