Marc Marshall
Datum: 14.03.2019
Venue: Kurhaus Baden-Baden
Website
Autor/Fotograf: Jörg Neuner
Inhalt
Konzertbericht
Soul Jazz und World Jazz
Baden-Baden (music-on-net) Wenn man Marc Marshall fragt, wie viele Jazz-Festivals er in Baden-Baden schon veranstaltet hat, könnte er ruhigen Gewissens antworten: „So ein gutes Dutzend.“ Mit Betonung auf gutes. Denn auch im zwölften Jahr ist er wieder mehr oder weniger ausverkauft.
Ein paar Feilereien gibt es am Konzept. Am auffälligsten: Der Jazz-Preis ist aus, kriegen wir nächstes Jahr wieder rein – da wird noch ein wenig weiter gefeilt. Beibehalten wurden vom letzten Jahr die Sofas auf der Bühne mit der All-Star-Band dahinter an allen drei Abenden. Somit hat das ganze Festival den gleichen Club-Charakter, in dem Marshall mit den eingeladenen Musikern immer wieder neue, einmalige Konstellationen zaubert.
Kern des Erfolgs ist laut Marshall sein genialer musikalischer Leiter Frank Lauber – er hat das Händchen dafür, die All-Star-Band jeweils für die unterschiedlichsten Gastmusiker zusammen zu stellen und einzunorden. So sind dann sowohl ein Sting-erfahrener Momo Djender algerischer Abstimmung als auch eine Prince-erprobte Bass-Exotin gleichermaßen geplättet, wie schnell die Grooves sitzen. Und so kommen Sie dann gerne auch öfters nach Baden-Baden, so wie Funk-Man Cosmo Klein.
Das ist die weitere Neuheit: Die Abende stehen unter einem Thema: World Jazz am Donnerstag, Soul Jazz am Freitag, und der Samstag … gute Laune mit der All Stars Band. Ich gebe mir den Donnerstag und den Freitag.
Welch besseren Einstieg zum World Jazz könnte es geben als Wonderful World? Marshalls erster Song trägt die Botschaft in sich, dass die universelle Sprache der Musik alle Völker der Welt auf eben wundervolle Art vereint. Alle Gastmusiker des Abends leben in bereits lange in Deutschland, und haben ihre Wurzeln in ihre Musik einfließen lassen.
Alaa Zouiten spielt seine Oud, die arabische Laute – sofort steht ein marokkanischer Bazar vor dem geistigen Auge mit seinen engen Gassen, Gedränge, exotischen Düften. Die Deutsch-Afghanin Simin Tander beginnt im Beatbox-Stil mit Percussion-Klängen und geht dann in einen schwebenden Gesang über, der sich arabisch anhört. Aber nur der Titel Wagma ist in Pashtu, der afghanischen Sprache – der Text des Liedes ist freie Lautmalerei, denn Tander liebt die Improvisation. Und schon sind wir bei einem Grundelement des Jazz. Der algerische Sänger Momo Djender lebt in Berlin und ist in unterschiedlichen Genres von Pop bis Soul unterwegs. Sein Lied Istikhbar Sihli erzählt vom Liebeskummer eines jungen Mannes – und der hört sich auf algerisch auch nicht viel anders an als in anderen Sprachen.
In Spanish Heart verweben Djender und Zouiten die spanische Flamenco-Gitarre mit der arabischen Oud genauso harmonisch, wie in Spanien einst alle drei großen Weltreligionen für 700 Jahre in Frieden zusammen gelebt haben – ein spannendes Arrangement mit faszinierender Geschichte.
Djender und Tander singen mal gemeinsam auf Deutsch, mal ein 900 Jahre altes arabisches Lied, getragen wiederum vom Rhythmus von Gitarre und Oud. Frank Laubers Saxophon kann sich ganz alleine auch sehr orientalisch anhören, zwei Lieder weiter tönt seine Jazz-Klarinette im Kontrast zum Orient. In Marshalls Wohnzimmer, dem Benazet-Saal im Kurhaus, hat es noch nie so viel orientalisches Flair gegeben. Und so lässt es sich der Impresario am Ende nicht nehmen, auf Arabisch zu singen, begleitet nur von der Oud und Bruno Müller mit der Gitarre. Ein wunderbarer Abend zur Völkerverständigung.
Zur Begrüßung des Soul Jazz-Abends kündigt Marshall an, dass es ihn heute nicht lange auf dem Sofa halten wird. Das ist sofort nachvollziehbar für alle, die Cosmo Klein schon letztes Jahr hier erlebt haben. Dazu kommt heute noch Nik West aus den USA. Mit diesem schillernden Paradiesvogel und ihrem krachenden Bass wird der Meister des Funk und Soul sicher noch ein paar Umdrehungen zulegen.
Den Anfang macht erstmal Rüdiger Baldauf, der diesen Abend der Einzige mit Wurzeln im Jazz ist. Mit seiner prägnanten Trompete war er auch schon mal als Mitglied der Paul Kuhn BigBand hier auf der Bühne. Aktuell passt er aber auch perfekt ins Soul-Muster, denn sein aktuelles Album arbeitet sich quer durch Michael Jacksons Werk. Sehr spannend Workin‘ Day And Night und später Stranger in Moscow: dominierende Jazz-Arrangements kontrastieren mit dem Pop-Rhythmus, der ebenfalls noch durchschlägt.
Und zu seinen Füßen hat Baldauf eine Effekt-Pedalerie, die einem Rock-Gitarristen zur Ehre gereicht – und die er hemmungslos bedient, um die Trompete mit Hall zu versorgen, Stimmlagen zu verschieben oder schlicht zu stopfen. Und er freut sich, dass das Baden–Badener Publikum schon beim ersten Lied gut drauf ist.
Cosmo Klein fegt auf die Bühne und legt noch einen drauf. Sein Medley mit Marvin Gaye-Songs steuert Pirouetten drehend den Abend gleich mal in Richtung Party. Funky die hohe Stimme, trotzdem enorm druckvoll – der Motown-Sound passt Klein hervorragend.
Dann: Auftritt der Dame des Abends – das Gesamtkunstwerk Nik West explodiert als ein Feuerwerk in Lila, Gold und krachendem Bass. Glitzerbuntes Kostüm, auftoupierter lila Irokese und der Bass geht sofort in den Bauch. Sie hämmert auf und reißt an den Saiten – der E-Bass ist hier weit entfernt von einem transportablerem Ersatz für den Akustik-Bass. West spielt das mehr wie eine Gitarre und turnt auch entsprechend auf der Bühne herum, auf den Knien, im Fast-Spagat und kurz vor der Brücke rückwärts. Die prägnante Soul-Stimme rundet das Ganze perfekt ab.
An ihrer Arbeit mit Prince kommt man heute nicht vorbei. Optisch hat man diese Schublade ja schon ganz weit auf, ihre eigenen Stücke lehnen sich stark daran an. Klein und West singen je einen Prince-Song und krönen das noch mit Let’s Go Crazy als Duett, bei dem beide zur Höchstform auflaufen. Natürlich mit tatkräftiger Unterstützung der Band und den Solisten. Frank Lauber und Baldauf battlen sich in der Bläsersektion, von hinten kommt ein fulminantes Drumsolo von Felix Lehmann und Simon Oslenders Hammond Orgel glüht.
Alles in allem sicher der schillerndste Jazz Club, den das Kurhaus bislang erlebt hat. Und vielleicht ganz gut, dass Marshall mit dem ergreifenden If I Were A Magician zusammen mit Oslender die Wogen für den Heimweg etwas glättet. Zumindest für diejenige, die den Heimweg gleich antreten. Denn zum Club gehört auch, hinterher noch ein wenig an der Bar abzuhängen. Auch die Musiker tauchen da noch auf – Bruno Müller hat die Gitarre gar nicht abgelegt und gesellt sich gleich zum B Bassface Duo, das die Gäste immer vor und nach dem Konzert akustisch versorgt. Und hin und wieder ergibt sich noch eine kleine Session… Cosmo Klein spielt auch ein ganz passables Schlagzeug.
Line-up
Marc Marshall – vocals, moderation
plus friends
Setlist | World Jazz
Wunderful World – Marshall
Reves De Fes – Zouiten
Wagma – Tander
Istikhbar Sihli – Djender
El Kaoui – Djender
In Meinem Wilden Herzen – Djender & Tander
Hilalia – Zouiten
De Kor Arman – Tander
My Spanish Heart – Djender & Zouiten
A Men Mali / Zidane – All
Poinciana – Bass Face Duo
Windmills Of Your Mind – Tander
Lamma Bada – Djender & Tander
Dancefloor of Happiness – Djender
Desert Rose – Djender & Marshall
Encore
Lyly Lyla – Marshall & Zouiten
Setlist | Soul Jazz
So Good – Marshall
Workin‘ Day And Night – Baldauf
Marvin Gaye Medley – Klein
Forbidden Fruit – West
Purple Unicorn – West
Stranger In Moscow – Baldauf
Walking In The Sun – Klein & Marshall
Let’s Work – West
Kiss & Intro – Klein
Georgia On My Mind – Bass Face Duo
Love In Progress – Klein
Top Spin – Müller
Let’s Go Crazy – West & Klein
Encore
If I were Magic – Marshall
Tourdaten | Marc Marshall
05.09.2019 Mr. M’s Jazz Club on tour, Berlin, A-Trane
06.09.2019 Mr. M’s Jazz Club on tour, Bremen, Sendesaal
13.11.2019 Mr. M’s Jazz Club on tour, Bad Homburg, Speicher
12.-14.3.2020 Mr. M’s Jazz-Club, Baden-Baden, Kurhaus
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