J. Peter Schwalm & Markus Reuter: Aufbruch

J. Peter Schwalm & Markus Reuter: Aufbruch (Sounds)

J. Peter Schwalm & Markus Reuter

Album: Aufbruch
Format: CD, digital, Vinyl
VÖ: 16.07.2021
Label / Vertrieb: RareNoiseRecords
Website
Facebook | Markus Reuter
Facebook | J. Peter Schwalm



Rezension (Album)

Es ist sicherlich keine leichte Kost, die J. Peter Schwalm und Markus Reuter mit ihrem ersten gemeinsamen Album Aufbruch präsentieren. Man braucht schon eine „sprichwörtliche“ Antenne für besondere Klänge und Geräusche, um am beschworenen Aufbruch teilhaben zu können.

Nur so viel:

Es lohnt ungemein, sich von den beiden Herren, denen bei zwei Tracks Sophie Tassignon (Tracks 7 & 8 – „Lebewohl“ und „Losgelöst“) stimmlich, quasi als einziges „natürliches“ Instrument, zur Seite steht, in ihren besonderen Klangkosmos entführen zu lassen.

Bedeutung des Albumcovers

Als Album-Cover haben Schwalm und Reuter einen Fassadenausschnitt des V. A. Dundee Design Museums von Kengo Kuma & Associates Architekten gewählt.

Treffenderweise einen Zwischenzustand – Béton brut, unverkleidet, puristisch, ehrlich, ohne zweite Haut, die dieses Museum nach Fertigstellung gerade vom Wasser aus sicherlich für den Besucher und Anlieger besonders attraktiv macht.

Die Anmutung auf diesem bewusst schlichten Foto weckt bei mir Assoziationen an die sogenannten Memory Voids, besonders an die bewusst bedrohlich inszenierte Installation Schalechet von Menashe Kadishman im Inneren von Daniel Libeskind’s Jüdischem Museum in Berlin.

Schwalm und Reuter laden ein zum Kopfkino

Die insgesamt neun Kompositionen des Albums rufen beim Hörer ebenso starke Bilder hervor, die individuell variieren mögen, aber im Kern zu einer spannenden Reise durch die teils apokalyptischen Klangwelten der beiden deutschen Ausnahmekünstler einladen. Zwischendurch streuen Schwalm und Reuter schon auch Spurenelemente verhaltener Hoffnung ein.

Ich bemühe an der Stelle den Vergleich mit dem leider zu früh verstorbenen, von mir geschätzten, isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson, der in seinen Arbeiten ein stückweit perfektionistischer zu Werke ging.

Schwalm und Reuter hingegen machen gewissermaßen immer rechtzeitig einen Bogen um allzu ästhetische Soundscapes, lassen ihre Tracks bewusst roh und ursprünglich. Wie Bildhauer, die an nur wenigen Stellen zeigen, dass sie mit dem Steinquader perfekt handwerklich umzugehen wissen, die Schönheit des unbearbeiteten Steins allerdings ebenso zu schätzen wissen.

Das Debütalbum des komponierenden „Elektroakustikers“ J. Peter Schwalm und des „Touch-Gitarristen“ Markus Reuter ist ein musikalischer Trip, ein Soundtrack, der ein stückweit zumindest meinen Seelenzustand in der nach wie vor herrschenden Pandemie treffend zu beschreiben weiß.

In gängige Genres lässt sich Aufbruch nur schwer einsortieren. Ich assoziere electonic, progressive, modern classic, trance, space, vielleicht am stärksten noch industrial sounds.

Wie sehen die beiden Klangkünstler ihre Arbeit selbst?

„Markus ist der Maler und ich bin der Bildhauer“, sagt Schwalm. „Was die Zusammenarbeit sehr angenehm machte, war, dass er so viele Ideen in den Arbeitsprozess einbrachte und mir grünes Licht gab, damit zu machen, was ich wollte.“

„Es ist mir ein Rätsel, wie Peter macht, was er macht“, fügt Reuter hinzu. „Ich verstehe den internen Prozess, mit dem er seine Entscheidungen trifft, nicht wirklich, aber jede Entscheidung, die er getroffen hat, war für mich perfekt.

„Entnommen dem Pressetext von Anje Huebner, hubtone pr für RareNoiseRecords

Wenn Andreij Tarkowski und Stanley Kubrick noch leben und Filme drehen würden, hätten beide mit Aufbruch zumindest schon mal den perfekten Soundtrack, der kraftvolle Bilder wiederum in ihren kreativen Köpfen entstehen ließ.

Für mich ist Aufbruch ein großartiges Album, das man, wenn man nicht gerade darüber schreibt, am besten gute 50 Minuten lang mit geschlossenen Augen geniessen sollte.

© Gerald Langer


Tracklist

  1. Der Aufbruch
  2. Von Anbeginn
  3. Rückzug
  4. Abbau
  5. Ein Riss
  6. Der Lange Weg
  7. Lebewohl
  8. Losgelöst
  9. Abschied

Line Up

J. Peter Schwalm – Synths, Pianos, live treatments, electronic percussion and programming
Markus Reuter – Touch Guitars® AU8 and U8 Deluxe, Soundscapes, Electronics
Sophie Tassignon – Vocals on “Lebewohl“ and “Losgelöst“


Credits

Mixed, edited and mastered by J. Peter Schwalm at Mainsound/Frankfurt am Main
Photography & design by Damir Tomaš (Photographed at V&A Dundee Design Museum, Architecture by Kengo Kuma)
Edition Outshine/Universal Music:
Publishing for J. Peter Schwalm
Markus Reuter (SESAC)
All Matter in the Universe (SESAC)
Produced by J. Peter Schwalm
Executive producer for RareNoiseRecords: Giacomo Bruzzo