Markus Reuter mit Mata Atlântica
Album: Retiro e Ritmo
V.Ö.: 18.11.2022
Label/Vertrieb: Iapetus/Galileo Music
Format: CD, Digital, Vinyl
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Inhalt
Rezension (Album)
Als ich mir Mata Atlântica: Retiro e Ritmo samt Beipackzettel vornehme, werden bei mir spontan Assoziationen ausgelöst.
Schon ist die „Qatsi-Trilogie“ von Godfrey Reggio präsent.
Insbesondere Teil 1 – Koyaanisqatsi (1982) des US-amerikanischen Experimentalfilmers ist mir in Erinnerung geblieben. Für den Soundtrack der gefilmten Zivilisationskritik sorgte, wie bei Powaqqatsi (1988) und Napoyqatsi (2002) auch, der Amerikaner Philip Glass. Dessen umfangreiches Werk bewegt sich zwischen Opern und Musiktheater, Symphonien, Kompositionen für Streichquartette und diversen Kammermusik- und Filmmusikkompositionen. Ganz leicht zugänglich sind seine Arbeiten nicht gerade, die Soundtracks zu der besagten Qatsi-Trilogie allerdings schon.
Markus Reuter beschreitet mit Mata Atlântica auf dem Album Retiro e Ritmo einen anderen Weg.
Hier müssen sich Zuhörer:innen erst einen Weg durch den Dschungel von Tönen und Geräuschen bahnen, die auf Soundscapes des Berliner Arrangeurs, Komponisten und Musikers gebettet sind.
Das wird bereits beim ersten Track Candles In Brazil hörbar. Die Stimmen von Charlotte Pelgen und Graça Cunha, das Flötenspiel von Aralee Dorough scheinen im Raum zu schweben.
Die Magie übereinandergelegter Tonspuren kann man anschließend beim gut zehnminütigen, treibenden Quando como aranhas genießen.
In Mata (und anderswo) sind gar freejazzige, brasilianische Spurenelemente auszumachen.
O fim do mundo ist im besten Sinne des Wortes Ambient Music, die unterfüttert mit Field Recordings die Vogelwelt des brasilianischen Tropenwaldes lebendig werden lässt.
Das 75-minütige Album ist eine wahre Fundgrube von Klängen, die man am besten mit einem Kopfhörer, der keinerlei Nebengeräusche zulässt, erforschen möge.
„Das Ergebnis ist ein vielschichtiges Klangbiotop, entstanden durch die kollektive Komposition der beteiligten Musiker. Was mich nachhaltig begeistert, ist, dass ich beim Hören den Eindruck einer gut eingespielten Live-Band habe.“ (Markus Reuter)
Der brasilianische Regenwald, oder das was von ihm noch übrig ist, wird auf dem Album Mata Atlântica: Retiro e Ritmo hörbar gemacht. Das experimentelle Album hat insofern die klare inhaltliche Botschaft, dass wir mit der Schöpfung sorgsam umgehen mögen.
Die nachfolgenden Generationen an Menschen, sowie Flora und Fauna, nicht nur im brasilianischen Tropenwald, werden es uns danken.
Der Impuls zum Album
Die Idee von Mata Atlântica: Retiro e Ritmo geht auf den Co-Produzenten Mathias Derer, zurück:
„Im Juli 2017 reiste ich auf Einladung des deutschen Naturfotografen Markus Mauthe nach Bahía, wo ich die Gelegenheit hatte, an der Gründungsphase der Umweltorganisation AMAP Brazil teilzunehmen. Es war nicht nur meine erste Begegnung mit Brasilien, sondern auch mit Südamerika und dem Regenwald. Schon nach wenigen Schritten in das tropische Dickicht wurde mir bewusst, dass ich dabei war, eine einzigartige Erfahrung zu machen.
Der Reichtum, in dem sich mir die Natur präsentierte, war überwältigend. Vorsichtig bewegten wir uns durch ein komplexes Geflecht aus Formen und Farben. Aber noch überraschter als mein Auge war mein Ohr. Auf der Grundlage raschelnder und tropfender Blätter und knarzender Äste spielten Vögel, Insekten, Äffchen, Frösche und unzählige andere Lebewesen im artenreichsten Biotop der Erde ihre organische Symphonie. Die Schönheit und Üppigkeit dieser Natur, ihre Wildheit, aber auch ihre Verletzlichkeit haben mich seitdem nicht mehr losgelassen. Mehr als 90% der Mata Atlântica sind bis heute vernichtet. Was von ihr übrig geblieben ist, gilt als einer der am stärksten bedrohten Tropenwälder der Welt.
Die nächsten Jahre wirkte beides in mir weiter, die audiovisuelle Erfahrung des brasilianischen Küstenregenwaldes und die Sorge um seinen Bestand. Wie konnte ich musikalisch dazu beitragen, mehr Aufmerksamkeit auf diesen fragilen Lebensraum zu lenken und gleichzeitig seine Klanglandschaft nachzuempfinden?
Im ersten Gespräch über das Projekt konnte ich meinen Freund Markus Reuter gewinnen, und schnell kristallisierte sich ein Plan zur Realisierung des Albums heraus.
Die vage Grundidee war, auf Fieldrecordings der Klanglandschaft der Mata groovige Patterns zu legen, über denen sich lyrische Melodien entfalten…..“ (Quelle: Antje Hübner, pr hubtone)
Tracklist | Mata Atlântica
1. Candles in Brazil 9:02
Music by Reuter/Derer/Husband/Reber/Preuschl/Pupato
Featuring Charlotte Pelgen: vocals,
Graça Cunha: vocals,
Aralee Dorough: flute
Words by Emily Dickinson and João Cabral de Melo Neto
2. Quando como aranhas 10:09
Music by Reuter/Derer/Husband/Reber/Preuschl/Pupato
Featuring Aralee Dorough: flutes,
Colin Gatwood: oboes
3. Sempre o mesmo 7:25
Music by Reuter/Derer/Husband/Reber/Preuschl/Pupato/Gley
Featuring Zoey Gley: vocals,
Lisa Fletcher: vocals,
Brian Kock: saxophones and flute
Words by Zoey Gley and Mathias Derer
4. Mata 8:34
Music by Reuter/Derer/Husband/Reber/Preuschl/Pupato
Featuring Deborah Carter Mastelotto: vocals,
Lisa Fletcher: vocals,
Brian Krock: soprano saxophone, flute
Words by Rudyard Kipling and Joyce Kilmer
5. Se deus quiser 10:34
Featuring Luca Calabrese: pocket trumpet,
Pat Mastelotto: spoken word
Words by Lord Byron
6. Um beijo selvagem 6:28
Music by Reuter/Derer/Husband/Reber/Preuschl/Pupato
Featuring Graça Cunha: vocals, Brian Krock: clarinet
Words by Cláudio Manuel da Costa
7. O fim do mundo 22:50
Music by Reuter
Featuring Markus Reuter: Touch Guitar Soundscapes,
Andi Pupato: Metals
Line-Up | Mata Atlântica
Markus Reuter: Synthesizers, Samples, Treatments, Soundscapes, Field Recordings
Tobias Reber: Electronic Rhythms
Raphael Preuschl: Basses
Gary Husband: Keyboards
Andi Pupato: Percussion
Brian Krock: Saxophones and Flute
Luca Calabrese: Pocket Trumpet
Aralee Dorough: Flute
Colin Gatwood: Oboes
Charlotte Pelgen: Vocals
Zoey Gley: Vocals
Graça Cunha: Vocals
Lisa Fletcher: Vocals
Deborah Carter Mastelotto: Vocals
Pat Mastelotto: Voice
Markus Mauthe: Field Recordings
Christian Wolff: Field Recordings