Arezu Weitholz: Zu Mensch

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© Verlag Antje Kunstmann | Zu Mensch | Arezu Weitholz

Zu Mensch

Skizzen und Blicke zurück auf Herbert Grönemeyers Album »Mensch«

Autorin: Arezu Weitholz
Illustrationen: Katrin Funcke
Erscheinungsdatum: Mai 2022
Verlag: Kunstmann
Seitenzahl: 208
Maße (L/B/H): 21.5 x 2.2 x 25.6 cm
Preis: 30 Euro
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-95614-529-2


Rezension

In der Rückschau stellen einzelne Musikalben regelrechte Monumente, auch in einer nach wie vor überaus aktiven Künstlerkarriere, dar. Herbert Grönemeyers Album Mensch ist ein solches Werk, das auch 22 Jahre nach seiner Veröffentlichung noch immer als Höhepunkt in der Biografie des gebürtigen Bochumers betrachtet werden darf. Darüber war es natürlich auch ein beachtlicher kommerzieller Erfolg.

Mensch: Das Musikalbum

Am 30. August 2002 erschien Mensch bei Grönland Records, dem Plattenlabel, das Grönemeyer drei Jahre zuvor in London ins Leben gerufen hatte.

Noch vor Veröffentlichung, allein aufgrund der vielen Vorbestellungen, wurde Mensch mit Platin ausgezeichnet und sicherte sich zudem für einige Wochen Platz eins der deutschen Album-Charts.

Die Musik des Albums dürfte hinlänglich bekannt sein. Im Jahr 2022 kamen Jubiläumsauflagen auf Vinyl und Blu-ray Audio hinzu. In das Jubiläumsjahr fiel allerdings auch eine Buchveröffentlichung, die ich mir bereits vor bald einem Jahr zugelegt habe.

Zu Mensch: Das Buch

Zu Mensch ist das von Grönemeyer autorisierte und von Arezu Weitholz verfasste Buch betitelt. Die darin enthaltenen Illustrationen stammen von Katrin Funcke.

Weitholz und Grönemeyer waren sich erstmals 1995 begegnet.

Während Grönemeyers frühen Londoner Jahren war sie im Zeitraum von 2000 bis 2004 als Autorin ebenfalls vor Ort tätig und konnte somit die keineswegs geradlinige Entwicklung des musikalischen Projektes Mensch verfolgen. Im Booklet zu CD und Vinyl ist sie zudem als Textdramaturgin ausgewiesen.

Die Jahrtausendwende war eine überwiegend analoge Zeit. Das Internet oder irgendwelche Social Media Plattformen beeinflussten unsere Kommunikation nur unwesentlich. Es gab dafür mehr umso mehr Zettelwirtschaft, Telefongespräche, Faxe und unmittelbaren persönlichen Austausch.

Dieses liebevoll gestaltete Buch kommt tatsächlich ohne Fotos aus, wenn man von abfotografierten Handzetteln von Textentwürfen diverser Songs absieht. Smartphones als passable Fotoapparate gab es schließlich noch nicht. Damit fehlt die digital erzeugte, mittlerweile obligatorische, Bilderflut.

Stattdessen greift die Autorin auf Erinnerungen von Herbert Grönemeyer, insbesondere auch seines persönlichen Umfeldes, zurück. Natürlich erinnert sich ein jeder etwas anders.

Zusammen mit den Erinnerungen der Autorin setzt sich für Leser und Betrachter des Buches die Genese der Songs zum Album daher eher skizzenhaft, dafür unglaublich lebendig, zusammen.

Es ist eben keineswegs so, dass Mensch von vornherein als Erfolgsalbum geplant war.

Grönemeyer musste im Jahr 1998, mehr oder weniger gerade in London angekommen, zunächst den Tod seines Bruders Wilhelm, anschließend den Tod seiner Frau Anna überwinden. Der alleinerziehende Vater blieb in London, auch wenn in dieser Situation die Rückkehr nach Bochum nahelag.

Zehn Alben hatte Grönemeyer bis zu diesem Zeitpunkt, zunächst bei Intercord, dann bei EMI veröffentlicht. Seit 1984 und dem kommerziellen Durchbruch mit 4630 Bochum befand sich Grönemeyer gewissermaßen in einem Album-Tour-Album-Tour-Rhythmus, der durch die tragischen familiären Ereignisse jäh unterbrochen wurde.

Er kämpfte sich danach in der pulsierenden britischen Metropole Tag für Tag, Monat und Monat, Jahr für Jahr in das Leben und in den künstlerischen Schaffensprozess zurück. Herbert Grönemeyer scheint zudem schon damals ein begnadeter Koch gewesen zu sein, der manche Analogie zwischen der Zubereitung eines Gerichtes und der Komposition eines Songs erkannte.

Die Tracks zum späteren Album nahmen nur sehr langsam Gestalt an, die Songtexte hinkten ohnehin immer hinterher. Solange er die finale Textform nicht gefunden hat, bedient sich Grönemeyer sogenannter Bananentexte, die von kauderwelschig bis völlig sinnfrei reichen können.

Zuerst muss für ihn die Grundstimmung, die Emotion passen. Erst ganz am Schluss kommen die Lyrics, manchmal eben auch erst kurz vor der finalen Aufnahme des Tracks. So passierte es auch beim letzten offiziellen Song Demo (letzter Tag) auf dem Album Mensch.

Als Leser des Buches nehmen wir an keinem geradlinigen, sondern ergebnisoffenen künstlerischen Prozess teil, an dessen Ende Mensch als Meilenstein in Herbert Grönemeyers Karriere steht.

Dass Mensch diesen unglaublichen Erfolg hatte, die Band war mit dem Album bis Mitte 2004 auf Tour, war keineswegs Kalkül, sondern wohl eher eine Fügung.

Die persönliche Tragödie, die dem Künstler widerfahren war, sicherlich auch der 11. September 2001 mit all dem, was er weltweit ausgelöst hat, hat Grönemeyer zu Texten bewegt, die nach wie vor unter die Haut gehen, da sie eben von höchst menschlichen Gefühlen und Hoffnungen getragen werden, die uns alle mehr oder minder stark beschäftigen und somit bekannt sind.

Das poetische Buch von Arezu Weitholz und Katrin Funcke ist daher eine wunderbare Ergänzung zu den einschlägigen Bild- und Tonkonserven von Mensch, die bereits in unserem Regal stehen.

Die auf Juni 2024 verschobenen Jubiläumskonzerte zu Mensch sind erwartungsgemäß längst ausverkauft. Lediglich für Dresden scheint es derzeit noch Tickets zu geben.

Für all diejenigen, die nicht live dabei sein können, bleibt die Hoffnung auf einen zu erwartenden Mitschnitt von einem der vier Konzerte in Grönemeyers Heimatstadt Bochum.

Ich habe ihn zuletzt bei der Mensch-Tour am 13.06.2004 auf den Würzburgen Mainwiesen erleben dürfen. Auch schon eine Weile her.

© Gerald Langer


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