Tocotronic: Posthalle Würzburg 2013 (Live)

Tocotronic

Datum: 05.04.2013
Venue: Posthalle Würzburg
Support: It’s A Musical
Autor/Fotograf: Gerald Langer



Konzertbericht

Manchmal siegt eben doch die pure Vernunft!

Tocotronic begeistern über 800 Besucher in der Würzburger Posthalle

Würzburg (music-on-net) Es gibt Konzerte, auf die freut man sich schon lange, bevor sie überhaupt angekündigt werden. Die heutige Tocotronic-Show in der Würzburger Posthalle anlässlich des 20. Dienstjubiläums der deutschen „Dichter und Denker“ – Indie-Rock-Band gehört für mich zweifellos zur Gattung dieser ganz besonderen Konzertereignisse. Und dann ist es noch eine richtig entspannende Freitagabendveranstaltung zum Wochenausklang.


Support: IT’S A MUSICAL

Its A Musical Posthalle Wuerzburg 2013 © Gerald Langer 4
It’s A Musical – Posthalle Wuerzburg 2013 © Gerald Langer


Als Support präsentieren Tocotronic – auch dabei geschmackssicher – It’s A Musical, ein deutsch-schwedisches Indie-Duo, von dem zumindest ich bisher noch nichts gehört habe, was wiederum überhaupt nichts bedeuten muss.

Die Schwedin Ella Blixt und ihr deutscher Partner Robert Kretzschmar offerieren kleine Pretiosen aus einem zwar noch überschaubaren gemeinsamen Oeuvre, aber allesamt Delikatessen, die nicht durch den Magen, dafür umso mehr durch den Kopf gehen und sich dort im Gehörgang festkrallen. Ich bin bestimmt nicht der Einzige, der sich dort in der ersten Reihe und in den vielen Reihen dahinter – über 800 Zuhörerinnen und Zuhörer zählt das Publikum in der Posthalle – hat anstecken lassen.

Der warme Gesang, das häufig wie eine Jahrmarktorgel klingende Keyboard von Ella, das Schlagzeug und die Percussion in den Händen von Robert Kretzschmar lassen erstklassige Popsongs fern aller Banalität entstehen. „For Years And Years“ von ihrem gleichnamigen Longplayer ist solch ein kleines Meisterwerk mit Suchtgefahr. Man darf den beiden wünschen, dass sie „im Gepäck“ der großen Tocotronic weiter an Popularität gewinnen. Perfekter Support und als Headliner-Clubkonzert absolut empfehlenswert.


TOCOTRONIC

Tocotronic Posthalle Wuerzburg 2013 © Gerald Langer 6
Tocotronic – Posthalle Wuerzburg 2013 © Gerald Langer


Gegen 21.45 betreten Tocotronic nicht unmittelbar die Bühne, sondern lassen sich durch den Conférencier Jan Timme feierlich ankündigen.

Nach einer sich anschließenden kurzen Begrüßung des Würzburger Publikums (Würzburg mit leicht gerollten „R“) durch Dirk von Lowtzow himself geht es erst einmal gemeinsam und etwas gemächlich in den „Keller“, um danach – etwas rockiger – lockere Versprechungen abzugeben – „ich will für Dich nüchtern bleiben“. Anschließend steigen wir gemeinsam auf den Hügel („Drüben auf dem Hügel“).

Das Set ist eine Achterbahnfahrt durch die zwanzigjährige Karriere einer Band, die zusammen mit Blumfeld die deutsche Musikszene nachhaltig geprägt hat.

Pure Vernunft darf niemals siegen

Pure Vernunft darf niemals siegen, der Titel ihres 2005er Albums ist gewissermaßen der geistige Ansatz all ihrer textlichen und musikalischen Entwürfe. Schreiben, dabei Themen mit einem gewissen Identifikationsgehalt anreißen, kunstvoll zusammenhängende Texte fragmentieren und anschließend wieder verknüpfen, nachdenklich machen, den Zuhörer mitnehmen auf eine scheinbar gemeinsame Reise und dann doch an der richtigen Stelle wieder alleine lassen. Die zugehörigen musikalischen Kompositionen drücken genau diese Arbeitsweise aus und formen die von uns Fans geliebten Produkte aus der Rock-Werkstatt Tocotronic.

Raum für Interpretation muss bleiben – ausgemalte Skizzen langweilen nur. Das trifft auf die Musik wie auf die darstellenden Künste genauso zu.

Wie wir leben wollen – das aktuelle Album rechtzeitig zur Tour

Ach ja – rechtzeitig zur Tournee ist auch noch das neue Album „Wie wir leben wollen“ erschienen. Lösungsansätze und klar umrissene Aussagen findet man dort selbstverständlich nicht. Es ist eben alles nicht das, was es zu sein scheint.

Die Songs des neuen Albums werden fein in die Setlist eingearbeitet und klingen live weniger sperrig wie auf dem Tonträger. Der Vorgänger Schall und Wahn war mir persönlich etwas leichter und schneller zugänglich. Verwoben sind die Songs untereinander durch die kurzen assoziativen Ansagen von Dirk von Lowtzow, bei denen er mit dem der Band immer wieder (zurecht) unterstellten intellektuellen Ansatz kokettiert, von Rainer Werner Fassbinder, Soundtrack, Rock’n’Roll, „Deutschland ist Scheiße“ redet, um den Zuhörer schmunzelnd weiter in das tocotronische Sprach- und Musiklabyrinth zu entführen.

Aber auf den Text werden heute die wenigstens achten – Tocotronic sind schließlich eine Rockband und sie rocken die Posthalle unermüdlich, um an der richtigen Stelle wahrlich dramatische Momente einzupflegen. Mit einem urgewaltigen „Warm und Grau“ geht denn auch das Pflichtset zu Ende. Nicht nur ein Zugabenset – Freiburg, Ich bin viel zulange mit Euch gegangen und der Titel des aktuellen Albums Wie wir leben wollen.

Das Publikum fordert eine weitere Zugabe und soll sie auch bekommen. 17 – ein Song vom Album K.O.O.K in bedrohlicher Slow Motion und mit mindestens Studiolänge (11:20). Mit diesem Brett ist die Show endgültig vorüber. Mehr geht nicht, mehr gibt es nicht. Manchmal siegt doch die Vernunft, aber eben nur manchmal!

Besten Dank an das Quartett – Jan Müller am Bass, Arne Zank am Schlagzeug, Rick McPhail an Gitarre und Keyboards (er trägt seit einiger Zeit diese sehr eindrucksvolle markante Brille Marke „Kassensgestell“) und natürlich an Dirk von Lowtzow für seinen Einsatz an der Gitarre und für den in jeder Hinsicht unterhaltsamen Gebrauch seiner Sprachbänder.


Setlist | Tocotronic

Im Keller
Ich will für Dich nüchtern bleiben
Drüben auf dem Hügel
Meine Freundin und ihr Freund
Vulgäre Verse
This Boy Is Tocotronic
Sag alles ab
Aber hier leben, nein danke
Warte auf mich auf dem Grund des Swimmingpools
Abschaffen
Alles wird in Flammen stehen
Auf dem Pfad der Dämmerung
Die Revolte ist in mir
Macht es nicht selbst
Jackpot
Hi Freaks
Warm und Grau

Zugaben # 1:

Freiburg
Ich bin viel zulange mit Euch gegangen
Wie wir leben wollen

Zugabe # 2:

17 (K.O.O.K, Song # 17)


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