Steven Wilson
Datum: 19.01.2016
Venue: Alte Oper Frankfurt am Main
Show: Hand. Cannot. Erase. Tour 2016
Autor: Gerald Langer
Inhalt
Konzertbericht
Progressive Klänge und Enthusiasmus vertragen sich doch
Frankfurt am Main (music-on-net) – Es gibt wohl nur wenige Konzerte, die überpünktlich beginnen. Der Brite Steven Wilson ist ein Repräsentant der verlässlichen Künstler, die ihre Fans nicht unnötig warten lassen wollen, um krampfhaft die Stimmung vor dem Konzert noch etwas weiter anzuheizen.
Bereits kurz vor 20:00 begibt sich Adam Holzman zu den Keyboards und bereitet das Intro zur umfassenden Präsentation des immer noch aktuellen Konzertalbums Hand. Cannot. Erase vor. Die sich im Frühjahr 2015 an die Veröffentlichung unmittelbar anschließende Tour war bereits ein riesiger Erfolg gewesen, so dass sich Wilson noch im Sommer entschloss, für das Jahr 2016 neue Tour-Termine zu verkünden. Somit beehrt er seine Fangemeinde im Rhein-Main-Gebiet nach Neu-Isenburg im Februar 2015 ein knappes Jahr später mit einem Konzert im Großen Saal der Alten Oper Frankfurt, die nahezu bis auf den letzten Platz ausverkauft ist.
Das Publikum orientiert sich im Hinblick auf die Altersstruktur am mittlerweile 48-jährigen „Workaholic“ Steven Wilson. Einige „Vater-Sohn-Paarungen“ sind auszumachen. Die Weitergabe des Prog-Rock-Genes trägt also Früchte.
Bereits im ersten Teil der Show bemüht sich Steven Wilson um Publikumsnähe, wünscht sich mehr Enthusiasmus als bei den zurückliegenden Auftritten. Diese Begeisterung zu zeigen, fällt bei einer bestuhlten Veranstaltung leider nicht besonders leicht. Die Frankfurter sind aber von Beginn an gut dabei, wenn es um emotionales Feedback geht.
Als begnadeter Musiker, als Gitarrist, Keyboarder, Sänger und gefragter Tontechniker hat sich Wilson in den letzten Jahren zudem mehr und mehr zu einer integren Respektperson entwickelt, wie man sie im Bereich der anspruchsvollen Unterhaltungsmusik, die keinerlei Berührungsängste mit der Avantgarde hat, nur selten vorfindet.
In der ersten Halbzeit wird im Verlauf von siebzig Minuten das Konzeptalbum Hand. Cannot. Erase in ein audio-visuelles Gesamtkunstwerk überführt. Die fiktive Geschichte der Platte geht leider auf das reale Schicksal von Joyce Carol Vincent zurück, die im Jahre 2003 in ihrem Londoner Appartement verstarb und deren Leichnam danach drei Jahre unentdeckt blieb. Mit diesem Wissen lässt sich auch das ablaufende Video auf der Bühnenrückwand besser verstehen.
Nach sich anschließender zwanzigminütiger Pause präsentiert Steven Wilson eine mit Bedacht zusammengestellte Kollektion alter und neu arrangierter Songs aus der Porcupine-Tree- und Storm-Corrosion-Ära, sowie neues Material vom am kommenden Freitag erscheinenden Kurzalbum „4 ½“.
Mit der aktuellen Tour-Band – Nick Beggs am Bass, Adam Holzman an den Keyboards, Dave Kilminster an diversen Gitarren, Craig Blundell am Schlagzeug und Vokalistin Ninet Tayeb – verfügt Wilson über ein musikalisches Potential, dass die dramatischen – von filigran bis brachial – Passagen seiner Kompositionen souverän meistert.
Auch der kürzlich verstorbene „Blackstar“ David Bowie – für Steven Wilson „The Master Of Prog“ – wird gewürdigt.
Einmal bei „Lazarus“ von Porcupine Tree:
„Follow me down to the valley below
You know moonlight is bleeding from out of your soul“
und bei der ersten Zugabe mit einem sich stark am Original orientierenden “Space Oddity“:
“Ground control to Major Tom
Your circuit’s dead, there’s something wrong
Can you hear me, Major Tom?”
Mit “Sound Of Muzak” – wiederum aus dem Repertoire von Porcupine Tree – und der ausdrücklichen Aufforderung zum Mitsingen wird um 22:50 der endgültige Schlusspunkt gesetzt, obwohl der bei Wilson’s Konzerten unvermeidliche semi-transparente Vorhang bereits am Ende des zweiten Sets zum Zwecke der Projektion gefallen war.
Vielmehr kann man von einem Konzert qualitativ und quantitativ nicht erwarten. Mein Respekt vor Steven Wilson als Musikschaffender im Bereich Progressive Music wächst weiter.
Ab Freitag, den 22. Januar 2016 steht mit „4 ½“ sein „Zwischendurch-Werk“ in diversen Formaten bei den Plattenhändlern und Versendern zum Kauf bereit. Zeitgleich soll die Vinyl-Box „The Delerium Years 1994-1997“ von Porcupine Tree erscheinen. An die Wiederbelebung dieser famosen Band glaube ich nun wirklich nicht mehr. Irgendwie schon schade!
Setlist | Steven Wilson
Set 1:
Hand. Cannot. Erase.
First Regret
3 Years Older
Hand Cannot Erase
Perfect Life
Routine (mit Ninet Tayeb)
Home Invasion
Regret #9
Transience
Ancestral mit Ninet Tayeb
Happy Returns
Ascendant Here On…
Set 2:
Drag Ropes (Storm Corrosion)
Open Car (Porcupine Tree)
My Book of Regrets (4 ½)
Index (Steven Wilson “Grace For Drowning”)
Lazarus (Porcupine Tree)
Don’t Hate Me (4 ½) with Ninet Tayeb
Vermillioncore (4 ½)
Sleep Together (Porcupine Tree)
Zugaben:
Space Oddity (David Bowie) with Ninet Tayeb
The Sound of Muzak (Porcupine Tree)