Joe Bonamassa
Datum: 08.05.2017
Venue: Festspielhaus Baden-Baden
Website
Autor/Fotograf: Jörg Neuner
Inhalt
Konzertbericht
Die Axt auf der Bühne erspart das Orchester im Opernhaus – The guitar event of the year
Das Festspielhaus in Baden-Baden ist das größte Opernhaus in Deutschland. Hier finden vor 2500 andächtigen Zuhörern Karajan-Festspiele statt und die Ann-Sophie Mütter, Netrebkos und John Neumeiers gehen ein und aus. Philharmonie-Orchester aus aller Welt lassen sich von allen herum dirigieren, die mit dem Taktstock in der Hand zu Rang, Namen oder Sir-Würden gekommen sind. Gerade am Wochenende war es der Wiener Klangkörper und der Dirigent Herbert Blomstedt mit knapp 90 – alter Schwede.
Joe Bonamassa heute bringt ganz viele Klangkörper mit und ist deutlich jünger – und das Konzert wird ihm ganz sicher gut in Erinnerung bleiben, obwohl er im Laufe dieser Tour schon einige ganz große Orte gerockt hat: in New York die Carnegie Hall und in London Royal Albert. Baden-Baden gibt er die Ehre, hier seinen eigenen vierzigsten Geburtstag zu verspielen.
Wer als Blueser derartige Tourdaten vorweisen kann, der ist ganz oben angekommen im Olymp der ursprünglich schwarzen Gitarrengötter. Dabei ist er kein bisschen im Mississippi-Delta aufgewachsen und schwarz sind allenfalls Anzug und die unvermeidliche Sonnenbrille. Aber sein Instrument hat er aufgesogen mit Mutters Milch – oder vielleicht doch eher Vaters Gitarrenladen.
Nun stehen nicht gleich alle Söhne von Gitarren-Läden-Besitzern mit 12 Jahren als Opener für B.B. King auf der Bühne. Und nicht alle, die mal mit B.B. auf der Bühne standen, füllen wiederholt die Top-Bühnen dies- und jenseits des Atlantiks. Oder schlagen regelmäßig ganz oben in den Blues- oder Popcharts ein. Letztlich belegen wohl die Auszeichnungen zahlreicher Blues-und Gitarren-Institutionen sowie zwei Grammy-Nominierungen, dass hier ein ganz großer seines Fachs unterwegs ist.
Und einen halben Gitarrenladen hat Joe Bonamassa auch dabei. Im beleuchteten Gitarrenschrank seitlich auf der Bühne stehen 11 Exemplare als kleine Auswahl aus der großen Sammlung des Meisters. Sie recken die Hälse dem Gitarren-Roadie entgegen, der für fast jedes Stück ein anderes geschichtsträchtiges Modell darreichen wird.
Die ersten fünf Stücke gibt es aus dem aktuellen Album Blues Of Desperation und sie werden ohne Ansage direkt serviert – wie das ganze Konzert. Bonamassa dominiert sofort die Bühne und lässt es auch gleich ordentlich krachen. Der Gesangsanteil der Lieder ist live noch reduzierter als im Studio, klar. Er muss sich auch nicht warmspielen, da wird gleich reichlich Fingerakrobatik geboten.
Immer wieder wandert er über die ganze Bühne. Immer im typischen Wechsel von extremer Vor- und Rücklage, wie um die Gitarre zu bändigen. Bei Bonamassa denke ich immer an das, was viele Musiker sagen: „Das Instrument spielt mich, ich halte es nur und singe dazu.“ Die Musik dringt in jede Faser seines Körpers. Seine typische Mimik, seine Bewegung ist die pure umgesetzte Energie seiner Musik. Und wenn viele Kritiker die Entwicklung seiner Stimme über die Jahre betonen, ist das für mich das Zusammenwachsen mit seinem Gitarrensound.
Im ersten Set nehme ich fast nur Joe Bonamassa war, obwohl seine „Soli“ immer von einem massiven Fundament der ganzen Band getragen werden. Lediglich mit dem charismatischen Michael Rhodes am Bass geht er schon anfangs erkennbar in den Dialog.
In Richtung Halbzeit treten die Akteure mehr und mehr ins Rampenlicht. Und setzen durchaus ihre eigene Duftmarke; wenn die Saiten schweigen, kommt es von Lee Thornburgs Trompete gleich mal jazz-rockig und von Paulie Cerras Sax auch soulig daher. Reese Wynans an den Tasten haut den Boogie raus und beschleunigt damit zum krönenden Drum-Solo; Anton Fig fuhrwerkt geschlagene vier Minuten wie ein Berserker und bringt locker die Schallleistung von zwei Schlagzeugen ans Ohr; das heißt natürlich auch, doppelt so schnell zu spielen.
Nach so viel individuellem Einsatz wendet sich der Meister nun ans Mikro, um erstmals seit der Begrüßung zum Volk zu sprechen. Dieses unterbricht jedoch sogleich, um in ein gemeinschaftliches „happy birthday“ zu verfallen. Die Glückwünsche werden dankend entgegengenommen und es folgt eine jetzt sehr persönliche und ausgedehnte Vorstellung der Bandmitglieder – seine erweiterte Familie, in die sich auch das Publikum einbezogen fühlen darf. Gewürdigt werden auch die beiden Damen im Background, deren Stimmen laut Bonamassas Aussage hauptverantwortlich waren für die letztjährige Grammy-Nominierung – und die im heiligen Tontempel leider etwas schrill rüberkommen: Mahalia Barnes und Jade McRae. Dass er den Pokal nicht bekommen hat, nimmt er auf seine Kappe.
Nach dieser konzentrierten, aber absolut nicht unsympathischen Kommunikations-Einlage geht es dann wieder fokussiert ans Musizieren. Und hier im zweiten Set verweben die Songs die ganze Band – für Auge und Ohr. In Love Ain’t A Love Song gibt es einen perkussiven Flirt zwischen Gitarre und Drums, dann schleichen Gitarre und Trompete mit ähnlichen Tönen umeinander herum. Die Gitarrenparts dazwischen haben einen solche Dynamik an Lautstärke und Rhythmus, alles weit entfernt vom selbstverliebten Saiten-Quälen, wie man es im Blues auch gerne mal zu hören bekommt. Das geht dann von unverzerrten hohen Tönen im Bruchteil einer Sekunde über in ein krachendes Gewitter – der Mann mit seiner Axt ersetzt ein halbes Orchester.
Zum Endspurt reichen dann zwei Armbewegungen zu Going Down – und alles geht hoch. Das Publikum ist sofort komplett auf den Beinen und hinter der Gitarre bringt die Orgel alle zum Schweben.
Nach vielen glänzenden Prachtstücken von Gitarren wechselt Bonamassa für How Many More Times zur ganz schlichten Fender – ist es die 50er Broadcaster oder die 52er Telecaster? Ich kann es aus Reihe 21 nicht ganz erkennen …egal, sie funktioniert jedenfalls noch prächtig und das alte Stück fällt auch nicht auseinander, als die Saiten schier rausgerissen werden … und damit geschossen wird – das ist spätestens jetzt ganz klar BluesROCK und kracht so richtig … und ewig lange … drei Takte später wieder sanfte Geigen-Töne … dann abermals ein Duell mit dem Schlagzeug …
Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Eine Gitarre kann ja so viel mehr sein…
Nachwort – bzw. Encore
Die Band verlässt unter frenetischen Ovationen – man steht ohnehin schon – die Bühne, und muss auch gar nicht lange zur Rückkehr beklatscht werden. Joe hat das Sakko gegen ein Geburtstags-Shirt gewechselt und man gibt noch einen:
Hummingbird ist eher ruhig angelegt, damit die Besucher nicht aufgekratzt die Heimfahrt am Baum beenden – und er selber vor der Geburtstagsfeier nochmal durchatmen kann. Praktischerweise befindet sich der neueste „must-go“ Tempel der Stadt gerade gegenüber.
Setlist | Joe Bonamassa
- This Train
- Mountain Climbing
- Blues Of Desperation
- No Good Place For The Lonely
- How Deep This River Runs
- Boogie With Stu
- Breaking Up Someone’s Home
- Angel Of Mercy
- Band Intros
- Love Ain’t A Love Song
- Song Of Yesterday
- Little Girl
- Going Down
- How Many More Times
Encore
- Hummingbird
Weitere Tour-Termine 2017 | Joe Bonamassa
- 12.5. Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf
- 13.5. Stadthalle, Bremerhaven
- 14.5. Swiss-Life Halle, Hannover
- 16.5. Sick-Arena – Messe, Freiburg
- 17.5. Oberschwabenhalle, Ravensburg
- 19.5. Arena, Leipzig
- 20.5. Olympiahalle, München
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