Hans Söllner: Posthalle Würzburg 2016

Hans Söllner

Datum: 27.01.2016
Venue: Posthalle Würzburg
Show: „Herr Söllner, Sie haben das letzte Wort!“
Autor/Fotograf: Gerald Langer



Konzertbericht

Würzburg (music-on-net) – Der friedlich rebellierende Bayer Hans Söllner füllt noch immer die Hallen. Er ist eine seit Jahrzehnten fixe Größe unter den deutschen Singer / Songwritern und verfügt über eine entsprechend große Fangemeinde, die sich um Nachwuchs keine Sorgen machen muss.

Vor einer Woche bespielte er bereits die Kulturhalle in Grafenrheinfeld. Heute Abend gibt er sein zweites Solo-Konzert in der Region und wiederum vor sehr vollem – nicht ganz ausverkauftem – Haus. Respekt!

Gleich zu Beginn gibt er zu verstehen, dass es sich bei seinem Auftritt allerdings weniger um ein Konzert als vielmehr um Seminar handeln würde. Lediglich elf Songs hätte er auf der Agenda, redet aber mit nur wenig Pausen nahezu über zwei Stunden unentwegt. Unzählige Male bringt er seine Gitarre in Spielposition, um sie anschließend unverrichteter Dinge wieder auf dem eigenen Schoss abzulegen. Für diejenigen, die auf ein abendfüllendes Konzert gehofft haben, sicherlich eine kleine Tortur.

Man muss nicht mit jeder seiner Äußerungen einverstanden sein, dennoch hört man „dem Christkind“, das am 24. Dezember letzten Jahres sechzig Jahre alt geworden ist, einfach gerne zu. Es ist die Stimme, sein Dialekt, sein bisweilen schwarzer Humor, sicherlich auch seine Mimik und Gestik. Ausstattungstechnisch reichen ein Verstärker Marke „Marshall“, eine Akustikgitarre und eine Mundharmonika auf einem „tschechischen Ständer“. Ein wohltuender Minimalismus der eingesetzten Mittel. Natürlich präsentiert er alles im Sitzen, bis sich die von Söllner beschriebenen „Pickel auf dem Allerwertesten“ bilden mögen.

Mit den unreflektierten Äußerungen des Extremsportlers Felix Baumgartners in den üblichen sozialen Netzwerken zum Thema Flüchtlingspolitik findet Hans Söllner den äußeren Rahmen, um seine Sicht auf unsere immer komplizierter werdende Welt mit dem Würzburger Publikum zu kommunizieren.

Den freien Blick auf das Wesentliche kann jeder von uns auch ohne den Genuss von Rauschmitteln jedweder Art erhalten, wenngleich Hans Söllner seit Jahren immer wieder mit dem Genuss von Marihuana in Verbindung gebracht und auch sein Merchandising-Stand keinerlei Zweifel an seiner Neigung aufkommen lässt.

Energy-Drinks scheinen auf jeden Fall schädlich zu sein. Baumgartners Blick aus 38 Kilometer Höhe über der Erde vor seinem Absprung scheinen sie jedenfalls nachhaltig vernebelt zu haben. Und Söllner fliegt, ohne zusätzliche Energie aus der Dose, allein bei Genuss seines zur Rakete geformten Joints nach eigener Angabe sowieso ganz locker über die 38-Kilometer-Marke Baumgartners hinaus.

Söllner hat seinen Humor zur eigenen Überlebensstrategie gemacht. Auch in weniger amüsanten Lebenslagen als Angeklagter vor Gericht. Nachdem in der Verhandlung so ziemliches alles schief gelaufen ist, was schief laufen kann, fordert ihn am Schluss der 35 Minuten zu spät zur Verhandlung erschienene Richter zu einem letzten Statement auf:

„Herr Söllner, Sie haben das letzte Wort!“

Man bekommt heute Abend eine Ahnung von dem, was sich im Anschluss daran im Gerichtssaal ereignet haben muss.

Immer wieder fordert er das Publikum heute zu allen Facetten der Liebe, Nächstenliebe und immer wieder zum neuen Verliebtsein auf.

„Macht ein-Mann-Demos! Oder irgendetwas anders ganz Verrücktes! Fahrt Polizeiautos hinterher, gebt Euren Führerschein weiter, am besten an diejenigen, die ihn verloren haben, etc.“

Die Liste von Söllners Empfehlungen, um dem täglichen Irrsinn zu entkommen, ist lang. Wir alle dürften auch beleidigen. Er selbst habe sogar neben seinen beruflichen Ausbildungen einen Gesellenbrief als professioneller Beleidiger erhalten. Nur hassen sollten wir nicht und wenigstens ein Jahr lang kein Hähnchen mehr essen. Diese Federviecher würden in Massenställen derartig misshandelt, dass wir als Kunden hier unbedingt Flagge zeigen sollten. Überhaupt sollten wir mehr Bewusstsein entwickeln und nicht überall blindlings mitlaufen.

Gut verstehen kann ich insofern Söllners Kritik an der bayerischen Willkommenskultur, zum Ausdruck gebracht durch Beklatschen der ankommenden und erschöpften Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof. Diese Menschen hätten schließlich keinen sportlichen Marathonlauf hinter sich gebracht, sondern befänden sich auf der Flucht!

„Wir müssen lernen, so gut zu sein, dass sich ein „Schlechter“ bei uns gar nicht wohl fühlt und von alleine geht.“

Und ganz am Schluss gibt es dann doch noch eine gehörige Portion Songs, die leider von einer hinter mir sitzenden Gruppe junger Leute auf eher unangenehme penetrante Art und Weise mitgegrölt werden. Aber – ich bin ja im Großen und Ganzen ein toleranter Mensch und halte mich infolgedessen selbstverständlich zurück, auch wenn es mir durchaus schwerfällt.

Die Zugaben „Edeltraut“ und „Du hast doch gestern noch ..“ schließen das zweistündige Seminar bei Hans Söllner ab und entlassen die meisten Teilnehmer hoffentlich mit Lernerfolg in die Würzburger Nacht.

Hat heute Abend noch irgendwer an die Zimmertür des Lebenspartners angeklopft? Oder hat sich überhaupt jemand auf unsere Rückkehr gefreut?

Diese Frage wird jeder für sich selbst beantworten müssen und je nach Ergebnis an den wesentlichen Dingen des Lebens weiter arbeiten müssen. Fertige Rezepte kann selbstverständlich auch ein Hans Söllner nicht liefern.


Konzertfotos | Hans Söllner

Hans Söllner - Solo - 27.01.2016 - Posthalle Würzburg © Gerald Langer
Hans Söllner – Solo – 27.01.2016 – Posthalle Würzburg © Gerald Langer


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