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Rezension (CD + BR)
Mr. Slowhand und die Pandemie
In der noch immer anhaltenden Phase des Pandemie bedingten Lockdowns dürfte Mr. Slowhand nicht viele neue Freunde hinzugewonnen haben. Isolation und Impfung machten der vor einigen Jahren an peripherer Neuropathie erkrankten britischen Gitarrenlegende ordentlich zu schaffen. Im Anschluss erfolgte ein nicht unbedingt vorbildliches Öffentlich-Machen seines aus der Pandemie herrührenden Unmutes bis hin zur Warnung vor der Impfung. Die eigene Impfung mit AstraZeneca im Frühjahr 2021 steckte der Risikopatient offensichtlich nicht ohne Nebenwirkungen weg. Konzerte mag er künftig nur noch geben, wenn kein Impfzwang auf die Fans ausgeübt würde.
An seiner Seite in dieser angespannten Zeit wohl weniger die eigene Familie um Ehefrau Melia McEnery als vielmehr andere querdenkende Musiker, etwa vom Formate des irischen Van Morrison. Freund Robert Cray hat sich mittlerweile von E.C. distanziert.
Auch mich als Fan aller drei vorgenannten Musiker irritiert dieses quergeistige Verhalten von Eric Clapton und Van Morrison.
Soll ich all ihre Tonträger nunmehr verkaufen? Mitnichten! Bin ich jetzt vielleicht dem neuen Album gegenüber besonders kritisch?
Mich hat Eric Clapton dennoch mit seinem aktuellen Album – trotz aller Bedenken – recht schnell wieder einkassiert.
Der Albumtitel: The Lady In The Balcony
Ursprünglich wollte Clapton im Mai 2021 seine mehrtägige Konzertreihe in der Londoner Royal Albert Hall fortsetzen, die verständlicherweise aufgrund von Covid-19 abgesagt werden musste. Seine sich daran anschließende Entscheidung für den nunmehr gewählten kleineren Rahmen darf man indes als glücklich bezeichnen.
Anhand von 17 Songs – Coverversionen und Eigenkompositionen – darf man nachhören, was Clapton einst zu „God“, gemeint ist natürlich „Gitarrengott“, gemacht hat.
Das semi-akustische Set ist quasi ein Studiokonzert, das von Clapton und seiner Band mit Nathan East (Bass und Gesang), Steve Gadd (Schlagzeug) und Chris Stainton (Keyboards) im noblen Cowdray House, West Sussex aufgeführt wurde. Es sind Unplugged-Versionen einer Reihe von Clapton-Standards samt einer Auswahl an Blues- und Country-Melodien.
Zwischen den Songs wird kaum gesprochen. Die formidable Band spielt aus einem Guss. In Erinnerung bleibt ein devotes „Peter Greene“ nach „Black Magic Woman“ und „Man Of The World“, beim kurzen Erscheinen von Ehefrau Melia die kurze Bemerkung „The Lady In The Balcony“, welche dem Album seinen Titel geben sollte.
Unterm Strich bleibt das aktuelle Album ein außerordentlich gutes, wenngleich Eric Clapton’s magisches „Unplugged“ (1992), sein erfolgreichstes Album überhaupt, im Hinblick auf die Intensität des Auftritts nicht ganz erreicht wird. Ein knappes Jahr vor Einspielung von Unplugged war schließlich Eric Clapton’s vierjähriger Sohn Conor bei einem Sturz vom Balkon ums Leben gekommen, der damalige Auftritt eine Clapton’s Rückkehr auf die Bühne.
Der Untertitel des Albums: Lockdown Sessions
The Lady In The Balcony führt den Untertitel Lockdown Sessions.
Das Album würde auch als Schlussstrich unter eine beispiellose Karriere des in die Jahre gekommenen Briten, der demnächst 77 Jahre alt wird, durchgehen.
Für Eric Clapton ist es wohl eher ein weiterer Baustein zur Überbrückung der geltenden sozialen Einschränkungen, die uns alle irgendwo treffen. Offensichtlich hat ausgerechnet er das Augenmaß dafür, wie privilegiert er als Künstler durch die Pandemie gehen kann, verloren.
Die zugehörige Bluray-Disc
Wer das Doppelpack erwirbt, dürfte im Regelfall die zugehörige Bluray-Disc auch als primären Tonträger verwenden. Sie ist der klanglich einwandfreien CD nochmals überlegen, nicht nur im Hinblick auf die wählbaren Optionen LPCM Stereo, Dolby Atmos und DTS-HD Master Audio. Die Vinylversion wird derzeit noch eher hochpreisig angeboten. Hier sollte man vielleicht noch etwas abwarten, bis das Weihnachtsgeschäft vorüber ist.
Die Kameraführung bei diesem Hauskonzert des erlesenen Quartetts ist ausgesprochen ruhig, fängt die relaxte Atmosphäre in den altehrwürdigen Mauern des Cowdray House würdevoll ein. Nathan East scheint dabei das fröhlichste und entspannteste Bandmitglied zu sein.
Es lohnt durchaus, die Website der Nobeladresse des gewählten „Studios“ Cowdray House zu besuchen. Die kurzen Einblendungen des landschaftlichen Umfeldes, die auf dem Bildträger eingefangen wurden, zeigen Parklandschaften vom Feinsten.
Tracklist
- Nobody Knows You When You’re Down And Out
- Golden Ring
- Black Magic Woman
- Man Of The World
- Kerry
- After Midnight
- Bell Bottom Blues
- Key To The Highway
- River Of Tears
- Rock Me Baby
- Believe In Life
- Going Down Slow
- Layla
- Tears In Heaven
- Long Distance Call
- Bad Boy
- Got My Mojo Working
Line Up
- Bass, Vocals – Nathan East
- Drums – Steve Gadd
- Guitar, Vocals – Eric Clapton
- Keyboards – Chris Stainton
Credits
Directed By – David Barnard
Edited By – Jerry Chater, Mark ‚Reg‘ Wrench*
Executive-Producer – Alice Webb, Geoff Kempin, Martin Dacre, Michael Eaton
Producer – James Chard, Peter Worsley, Russ Titelman