Big Daddy Wilson
Datum: 30.10.2021
Venue: Blues-Club Baden-Baden
Website Big Daddy Wilson
Autor/Fotograf: Jörg Neuner
Inhalt
Konzertbericht
Big Daddy Wilson zum dritten Mal im Blues-Club Bnden-Baden – Der Grandseigneur des Blues und Soul hält Audienz an der Oos
Er wirkt immer ein bisschen aus der Zeit gefallen, mit Sonnenbrille und im dunklen Dreiteiler mit Einstecktuch. Wenn das breite, schneeweiße Lachen im grau melierten Bart erscheint, dann beschwört seine tiefe, samtweiche Stimme den Geist der Soul- und Blues-Heroen des Stax-Labels herauf und durch den gut gefüllten Löwensaal in Lichtental weht eine Club-Atmosphäre aus dem Memphis der 60er. Aber vom eleganten Hut bis hinunter zu den Lackschuhen hat Big Daddy Wilson eine Ausstrahlung, die ihn völlig selbstverständlich im hier und jetzt auf der Bühne stehen lässt.
Die Eröffnungsnummer „I Know“ muss leider ohne den Bläsersatz auskommen, der für die extra-soulige Note des 2019er Studio-Albums sorgte. Dafür hat Big Daddy Wilson eine klassische, hervorragend aufeinander eingespielte Blues-Besetzung mit dabei, die perfekt zum diesjährigen Album „Hard Time Blues“ passt. Das erste Set bedient sich daraus mit Geschichten aus dem harten Leben der Blues-Ursprünge.
Dumpfe Trommelschläge von Nik Taccori lassen an Arbeit auf den Feldern denken, aber die schwebenden Orgelklänge von Enzo Messinas Keyboards suchen nach einem Ausweg – „ Maybe It’s Time“. Mit anklagender Stimme besingt Wilson die Arbeit der „Poor Black Children“, gospelhaft untermalt vom versetzten Chorus der ganzen Band. „Yazoo City“ erzählt von der Geschichte der Stadt, die vom Mississippi weggespült wurde – Cesare Nolli an der Gitarre greift zum Bottleneck und lässt den Delta-Blues erklingen. Diese Nummer ist mit mit Eric Bibb entstanden – einem befreundeten Blues-Musiker, der sich wie Wilson ebenfalls schon länger in Europa niedergelassen hat und der sich auf seinem aktuellen Album auch sehr kritisch mit Amerika auseinander setzt.
Als hoffnungsvoller Gegenpol gehört natürlich die Liebe zum Blues. Für „I Can’t Help But Love You“ zieht Big Daddy das ganz tiefe, weiche Stimmregister, um dann einen ganzen Strauß von gefühlvollen Soli aller Mitstreiter zu präsentieren. Damit zieht sich der Meister schon mal in die Pause zurück und Gitarrist Nolli übernimmt den Gesang für die Abschlussnummer.
Als wären die ernsten Themen jetzt beiseite gelegt, dreht die Band wie entfesselt auf. Taccori an den Drums hat schon die ganze Zeit mit reichlich Körpereinsatz gespielt, jetzt ist er warm lässt es richtig fliegen. Paolo Legramandi war bis jetzt ein eher der typisch unauffällige Basser, jetzt trifft er sich in der Bühnenmitte mit Nolli zu einem ausgiebigen, fetzigen Gitarrenduell und Messina haut dazu kräftig in die Tasten.
Dem Publikum ist die Begeisterung im wahrsten Sinn des Wortes anzusehen. Dank der 2G-Regelung des Blues-Clubs ist das Konzert maskenfrei, aber die gut 200 Besucher müssen sich an die ungewohnte Freiheit offensichtlich noch gewöhnen – noch sind alle an ihren Tischen und Stühlen und lauschen gebannt.
Da wird jetzt im zweiten Set etwas Schwung reinkommen. Wilson beginnt mit dem Son House Klassiker „Grinnin‘ In Your Face“ sehr relaxt, geht dann ein in prägnantes Bass-Solo und ein fliegendes Keyboard-Solo über und nach dem finalen Gitarren-Solo legt Big Daddy das Jackett ab, um sich die nötige Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Die nächsten Nummern aus dem reichhaltigen Repertoire gehen jetzt in die rockigere Richtung – Gitarren-Soli, furioses Schlagzeug, ekstatisches Keyboard und knackige Bass-Riffs wechseln sich ab. Inmitten darin der immer präsente und das Publikum animierende Wilson, der sichtlich genießt, wie Bewegung in die ersten Reihen kommt. Der frenetische Beifall wird mit zwei zusätzlichen Zugaben belohnt, die nicht auf der Setlist stehen.
Ein sensationeller Abend klingt mit drei Blues-Balladen gefühlvoll aus.