Ass Fiddle Johnsons & Friends
Datum: 10.11.2018
Venue: Event-Akademie Baden-Baden
Website
Autor/Fotograf: Jörg Neuner
Inhalt
Konzertbericht
Ass Fiddle Johnsons: Vom Arschgeigenhansel zum Local Hero
Baden-Baden (music-on-net) Gerade ganz aktuell im Kino: der Rock‘n‘Roll und wie er die verschiedensten Typen dazu anspornt, die Gitarre selbst in die Hand zu nehmen. Wenn es richtig gut läuft, wird daraus die Geschichte einer der größten Rockbands der Welt. Wenn es nicht ganz so gut läuft, verliert sich das Ganze aus den verschiedensten Gründen und die Axt verstaubt nach ein paar Jahren auf dem Speicher – aber vielleicht will man es im gesetzten Alter noch mal wissen und trommelt die Jungs von damals wieder zusammen.
Zwischen dem dramatischen Bio-Pic Bohemian Rhapsody und dem fiktiven Plot von So viel Zeit spielt die ganz reale Geschichte der Ass Fiddle Johnsons, die sich seit 27 Jahren quer durch die Rockgeschichte covern. In Haueneberstein neben Baden-Baden fanden sich sechs Rock-Begeisterte zusammen, um die Feiern der Umgebung mit angesagter Live-Musik zu befeuern. Vor allem auf Sportfesten gab es in den 90ern reichlich Bedarf an Bands, die ordentlich Stimmung machen. Aus einer Bierlaune heraus – wie ungewöhnlich für eine Rockband – ist der ursprüngliche Bandname entstanden: Arschgeigenhansel. Um Irritiationen mit dem Repertoire zu vermeiden, wurde das dann an die gesungenen Sprache angepasst …
Die Sportfeste sind weniger geworden. Staub haben die Jungs aber nicht angesetzt, obwohl immer noch fast die Original-Besetzung am Start ist. Lediglich ein Neuzugang war nach einem Jahr zu verzeichnen und nach 20 Jahren brauchte es einen neuen Schlagzeuger. Dafür spielt man schon mal vor ein paar tausend Gästen eines Firmenjubiläums. Ein Fixpunkt seit 2002 ist das jährliche Konzert der Ass Fiddle Johnsons in Baden-Baden. Ursprünglich im alten E-Werk gestartet, der Bühne von Frank Elstners Menschen der Woche. 2014 kam Michael Steinbrecher mit 3nach9, wegen dessen permanenter Bühne musste man seitdem in die Event-Akademie ausweichen, die nun an gleich zwei Abenden hintereinander ausverkauft ist – und das trotz reichlich Konkurrenz-Programm.
Bei mir war an dem Samstag eigentlich der Blues-Club geplant, einen Ort weiter gibt es eine Rock-Nacht durch alle Bars und es hätte noch weiter interessante Alternativen gegeben. Trotzdem sind die 300 Besucher an jedem Abend net bloß die Leut vom eigene Dorf, lasse ich mir erklären.
Stevie Wonder eröffnet schwungvoll den Reigen des gemischten Programms. Danach Baker Street, das Klaus Schneider als erster Gastmusiker mit seinem Saxophon-Solo gehörig aufmischt. Across The Universe durchflutet den Raum dagegen fast ganz alleine mit Christian Hirths ruhiger Stimme und Helmuth Hirths Akustik-Gitarre.
Noch nicht ganz so alt oder tot wie die Pilzköpfe aber doch schon in der Ü60-Klasse – das ist betreutes Musizieren. So freuen sich die Herren der Ass Fiddle Johnsons seit Jahren über die Treue ihrer jüngeren Gastmusiker. Emi Ühlinger reist immer wieder extra aus der Schweiz an, um außer mit den Pailetten ihrer Beinkleider mit ergreifenden Geigensoli zu glänzen – und im Hintergrund den Songs einen klassischen Touch zu geben. Der vierstimmige Bläsersatz betont die jazzigen und bluesigen Partien und trägt wesentlich zum vollen Sound der Band bei.
Im Highlight des ersten Sets spielen die Töne im Hintergrund die herausragende Rolle. Vom exotischen, galoppierenden Ride To Agadir gleiten die Bläser über Violine und Cello direkt ins schleppend getragene Whiter Shade Of Pale, das von Georg Wandler noch mit einem passenden E-Gitarren-Solo angereichert wird. Die Setlist der Ass Fiddle Johnsons hat jetzt nicht unbedingt einen knallroten Faden, aber das ist schon ein deutlicher Ticken mehr, als Mainstream-Covers der Reihe nach runter zu nudeln.
Bob Segers Turn The Page erzählt über den Musiker auf Tour. Regelmäßig waren auch die Ass Fiddle Johnsons unterwegs durch alle badischen Regionalkulturen und haben die Hallen und Arenen der umliegenden -bachs, -heims, -hursts und –au‘s gefüllt und begeistert … die Europa- Tour ins elsässische Sturzelbronn …einmalig! Zahlreiche Geschichten aus dem aufregenden Tourleben, die Sänger Christian Hirth mit Abenteuern aus dem für Tour-Musiker so banalen Familienleben vermischt und fast gar nicht ironisch zwischen den Nummern einstreut.
Drum-Solo? Aber klar. Cathedral bietet bestens Gelegenheit für Marcus Otto Müller, das Publikum zur Pause Richtung Bar zu prügeln. Statt eines Gongs holt Ühlinger die Gäste mit ihrer Violine wieder in den Saal zurück, begleitet nur von Hans Peter Wowerath am Keyboard.
Schon lässt die Querflöte Shine On You Crazy Diamond einschweben, das dann in Originallänge von Klaus Hermann und Georg Wandler zwischen den beiden E-Gitarren genüsslich zerlegt wird. Dazu gesellt sich noch Schneider mit gleich zwei Saxophonen behängt, um sich auch noch ein paar Filetstücke zu schnappen … unbedingt das Highlight der Show.
Mit New York, New York gibt es eine swingende Überleitung in den Blues, der besetzungsmäßig eine gewisse Herausforderung darstellt: Für I’d Rather Go Blind muss Wandler die derzeit höchsten Gitarren-Sphären erklimmen, während sich Bassist Gerhard Kloé ganz locker in tiefste Grabeslaute singt, bei denen Beth Harts bunte Tattoos vor Neid ganz blass würden.
Danach: Hermanns Guitar Gently Weeps den Blues von der Bühne und auch das Publikum wird hinter die Bühne eingeladen zum VIP-Backstage-Paket mit reichlich Drinks – morgen früh ab 10 zum Aufräumen, angebrochene Flaschen sind sicher reichlich vorhanden … echtes Musiker-Leben eben.
Christian Hirth beherrscht die passenden Zwischentöne zwischen den Songs, seine wandlungsfähige Stimme gibt den Songs aber immer auch Authentizität, am überzeugendsten bei Purple Rain.
On The Turning Away – sicher der ungewöhnlichste Song in diesem Programm. Kommt aber überzeugend rüber mit seinem getragenen Sound der Gitarren und Woweraths Keyboards.
Richtung Ende kommen dann die Sing-alongs. Wandler greift zur Mandoline und bringt The Great Song Of Indifference in Schwung. Rader Love hat noch jedes gesetzte Publikum von den Stühlen geholt, Helmut Hirth mutiert vom Gitarren-Akustiker zum Rocker am Mikro. Und mittendrin, trotz allem Trubel – Helmut Krumm an den Percussions bleibt die Ruhe selbst und hält die Truppe rhythmisch beieinander.
Dann gibt es kein Halten mehr –Sympathy For The Devil mit Mick und Keith im Hintergrund lachend schallt’s lange vor der Bühne noch: Woo woo, woo woo !
Kürzlich habe ich irgendwo von eine Studie gelesen, dass der Besuch eines Live-Konzertes das Leben um 9 Tage verlängert. Also: Support your local heroes! Keep the small stages!
Und ja, natürlich gibt’s auch hier noch einen Zugabe. Nach dem Boat On The River kommen wie versprochen noch die Leut von Ebberschde zu Wort. Der Eberbach ist zwar nicht ganz 500 Miles lang, aber in dem Proclaimers-Song lassen sich so ziemlich alle Haubenebersteiner Familien unterbringen und so nehmen wir noch ein kleines Stück Heimatkunde mit nach Hause.
Setlist | Ass Fiddle Johnsons & Friends – Baden-Baden 2018
Set 1
- Got To Get You Into My Life – Stevie Wonder
- Baker Street – Gerry Rafferty
- Across The Universe – Beatles
- Ride to Agadir – Mike Batt
- A Whiter Shade Of Pale – Procul Harum
- Cold Day In Hell – Gary Moore
- Turn The Page – Bob Seger
- Crystallize – Lindsay Sterling
- Don’t Look Back in Anger – Oasis
- Cathedral – Crosby, Stills & Nash
- The Letter – The Box Tops
Set 2
- Intro
- Shine On You Crazy Diamond – Pink Floyd
- New York, New York – Frank Sinatra
- I’d Rather Go Blind – Joe Bonamassa & Beth Hart
- While My Guitar Gently Weeps – Beatles
- Great Song Of Indifference – Bob Geldof
- On The Turning Away – Pink Floyd
- Radar Love – Golden Earring
- Purple Rain – Prince
- Hajo – Gerhard Cloé
- Sympathy For The Devil – Rolling Stones
Encore
- Boat On The River – Styx
- 500 Miles (Eberbachlied) – The Proclaimers