Albert Lee & Hogan’s Heroes
Datum: 20.03.2015
Venue: Landgasthof Ochsen Sinzheim
Show: Frettening-Behaviour-Tour 2015
Website
Autor/Fotograf: Jörg Neuner
Inhalt
Konzertbericht
Sinzheim (music-on-net) – Der Ochsen ist auf den ersten Blick ein recht bodenständiger Landgasthof im unscheinbaren Sinzheim vor den Toren Baden-Badens. Auf den zweiten Blick fällt vielleicht auf, dass im Saal der Himmel voller Gitarren hängt.
Und alljährlich im März lässt sich einer der Gitarrengötter hernieder, um die versammelte Saiten-Gemeinde in Verzückung zu versetzen. Zumindest war das die letzten zehn Jahre so. Inzwischen hat Albert Lee die 70 überschritten und dem Vernehmen nach ist mit diesem 10-jährigen Jubiläums-Konzert nun Ende-Gelände. Seine britischen Mitstreiter, die Heroes um Gerry Hogan, sind in England ansässig, während Lee seine Zelte mittlerweile in Kalifornien aufgeschlagen hat und die meisten seiner Projekte jenseits des Teiches stattfinden. Ein Grund mehr, diesen Abend mit allen Sinnen zu genießen.
Aber um dem Ganzen keinen falschen Anstrich zu geben: Im Gegensatz zur katholischen Kirche gleich nebenan wird hier niemand auf den Altar gehoben und keine steife Zeremonie zelebriert. Da ist vielmehr eine wohnzimmerartige Atmosphäre, in der ein ganz und gar unabgehobener Gitarrenspieler – nach Meinung vieler Fachleute der Weltbeste – zusammen mit ein paar Freunden auf die Bühne stiefelt. Vom Stammpublikum gerade mal so weit entfernt, dass der Fotograf noch eben dazwischen passt.
Was für ein Kontrast zu dem Bild, wenn er mit ebensolcher Regelmäßigkeit auf dem Crossroad-Guitar-Festival zwischen Eric Clapton und seinen Gästen wie B.B.-King, ZZ-Top, Sheryl Crow & Co in einem vollen Stadion steht und die gleiche rote Music Man-Gitarre spielt. Und mit der könnte er all die ganz großen glatt an die Wand spielen, was Geschwindigkeit und Präzision angeht. Ganz im Gegenteil jedoch wird er von den Kollegen hoch geschätzt; der bescheidene Virtuose gilt als guitar player’s guitar player und ist eine vielgebuchte Verstärkung für unzählige Gigs und Studio-Aufnahmen.
Und das ist wohl genau sein Ding, denn dort wie hier im kleinen Club mit eigener Band ist er ein absoluter und megasympathischer Teamplayer. Natürlich steht sein Spiel – und vor allem seine endlosen Soli – im Vordergrund. Aber sämtliche Hogan’s Heroes werden von ihm immer wieder ins Spiel gebracht und der Meister begnügt sich mit der Rolle des Begleiters.
Allen voran dabei Neuzugang Doña Oxford aus den USA mit Gesang und E-Piano. Chris Palmer am E-Bass ist ebenfalls neu im Line-up. Peter Baron sitzt seit Anbeginn an den Drums, zeichnet aber auch verantwortlich für einige Songs und auch Lead-Vocals bei einigen Liedern. Namensgeber Gerry Hogan ist der Ruhepol des Ganzen, bearbeitet stoisch Saiten und Pedale seiner Steel Guitar und erinnert damit daran, dass Lee einen Teil seiner Wurzeln auch im Country hat.
Und schon im ersten Song I’m Ready bekommt Oxford Gelegenheit zu einem Solo an den Tasten, mit dem sie gleich mal keinen Zweifel aufkommen lässt, dass sie kein Ruhepol ist und das Publikum sofort in Wallung bringt. Bei Restless zeigt dann Lee, dass der frühe Rockabilly noch recht nah am Country gebaut ist. Und dass ist auch der typische Albert Lee-Sound: hell, hart, unverzerrt und irrsinns-schnell (wie eigentlich kriegt er bei dem Speed auch noch den Tremolo-Arm bedient)? Mit einer Gitarre und demselben Setting bestreitet er den ganzen Abend über unzählige Soli.
Aber durch die Präzision, den Verzicht auf unnötige Dezibel und eben durch das vielfältige Zusammenspiel mit der Band bewahren die Lieder ihren unterschiedlichen Charakter, ohne technisch kalt rüberzukommen. In diesem Song erhält er die Begleitung von Palmer, der seinen Bass auch fliegen lässt. Dessen Spiel sieht eher nach Rhythm-Guitar aus und ich muss eine ganze Weile hinsehen, bis ich mir sicher bin, dass er doch kein Plektrum benutzt. Ein paar Lieder weiter hinten spielt er den E-Bass dann so upright, als klammerte er sich an einen Kontrabass.
Evangelina kommt dann wieder aus dem Country von Hoyt Axton. In Something You Got zeigt Ms. Oxford, dass sie mit ihrer Röhre singt wie sie Klavier spielt: überaus kräftig! Bei Brand New Heartache gibt dann die Steel-Guitar den Ton an. Passend bearbeiten Gerry Hogans bestickte Cowboy-Stiefel die Pedale, ohne dass sich unter seiner Baseball-Cap eine Miene verzieht. Mit Sunshine erinnert Lee an die vielen Jahre, die er mit den Everly Brothers verbracht hat. Just Because ist ein Western Swing, dem das Solo der roten Gitarre besonders viel Schwung verleiht und verdeutlicht, warum er vom Guitar Player Magazin den Titel Best Country Guitarist fünfmal in Folge erhielt..
Einst hatte er auch mit den Crickets, der Band von Buddy Holly gespielt; aus dieser Zeit stammt Learning The Game. Dave Edmunds Sweet Little Lisa als letzte Nummer vor der Pause gibt dann allen die Gelegenheit zu intensiven Soli, bei denen das Ganze deutlich mehr ist als die Summe der Teile.
Im zweiten Set gibt sich Lee dann in der Rockabilly-Nummer Luxury Liner ein knallhartes Duell mit dem Bass. Dann ist Doña wieder an der Reihe: sie singt He’s My Baby mit einer Stimme, die so schwarz ist wie die dunkle Hälfte ihrer Tasten.
Bald gibt sie dann einen kleinen Lehrgang in Sachen Boogie-Woogie, der so heißt, weil man mit der rechten Hand die hohen Töne spielt; den Boogggie. Und mit der Linken – mit der sie zuerst Palmer zuwinkt, dass sein Bass nicht mehr gebraucht wird – die tiefen Töne; den Woooogie. Und ich glaube glatt, aus der Melodie wirklich, „Boogie-Woogie“ heraus zu hören.
Schließlich fetzt sie die Tasten aus dem Instrument …
Nein, es sind doch nur die Notenblätter, die davonfliegen …
Das Publikum springt auf zu den ersten standing ovations des Abends! Das liegt natürlich auch mit daran, dass das heiß erwartete Glanzstück ganz hinten in der Setlist geparkt ist. Aber nach zwei weiteren Nummern ist es dann soweit, wir sind jetzt bereit für den Landjungen! Country Boy, gute zehn Minuten high-speed-Country-picking. Nach zwei bis drei Minuten verliert sich der Text und Lee krönt den Abend mit seinem Parade-Solo samt jam-artigen Einsprengseln aus Rockabilly, Ragtime, Deep Purple und was den Musikern sonst noch so einfällt.
Nun dürfen wir bei der ersten Zugabe etwas verschnaufen, Albert Lee ebenfalls. Er bestreitet Skip Rope Song ganz alleine am Keyboard. Und als Rockabilly-Abschluss reißt Tear It Up die Leute dann doch noch von den Sitzen und es wird abgerockt, soweit die Tischreihen das zulassen. Die Musik hätte das schon von Anfang an hergegeben. Aber ich glaube, wir waren einfach viel zu fasziniert davon, dem Mann bei der Arbeit zu zusehen…what a night!
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