Saga & Marillion
Datum: 12.11.2011
Venue: Posthalle Würzburg
Autor/Fotograf: Gerald Langer
Inhalt
Konzertbericht
Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen auf music2web.de
Prog-Rock-Doppel in den Posthallen
Würzburg (Gerald Langer für music2web.de) – Am Samstagabend hatten sich in Würzburg zwei Bands angekündigt, die zwar üblicherweise unter dem Label „Progressive-Rock“ einzuordnen wären, sich aber doch unterschiedlicher im Laufe der letzten dreißig Jahre wohl kaum entwickeln konnten.
Ab 18:30 ist Einlass, die „Location“ füllt sich bis 19:30, dem angekündigten und auch präzise eingehaltenen Konzertbeginn für Saga, soweit, bis ein angenehm hohes Verdichtungsmaß in der natürlich unbestuhlten größeren Posthalle erreicht war. Hier ist nicht nur die ohnehin zu erwartende Ü-40 Auswahl anzutreffen, auch wesentlich jüngere Apologeten der beiden Bands werden gesichtet. Vielleicht haben die Nachwuchsfans vorher bei Papa oder Mama in der Plattenkiste gewühlt und sind dabei auf kleine Schätze gestoßen. Sei’s drum.
Saga betreten pünktlich die Bühne und betören den Fan mit einer kaum Wünsche offen lassenden Best-Of-Show. Ein absolut risikoloses Unternehmen, Neues wird kaum gespielt. Wen interessiert das neue Album, welches zumindest bezüglich der Titelliste auf der offiziellen Homepage der Band zu finden ist, denn wirklich? Wir wollen allesamt kollektiv an das Ende der 1970er Jahre und den Beginn der 1980er Jahre erinnert werden. Das war der Zeitraum, in dem die Band großen Erfolg gerade auch im europäischen Raum hatte. Hier haben sich einige Songs in unser Gedächtnis eingebrannt und die wollen wir auch noch einmal „live“ erleben dürfen. Das ist doch ganz legitim. Unsere Eltern gehen schließlich auch zu Udo Jürgens Live und müssen sich dafür nicht schämen.
Doch was empfindet man beim Anhören der alten Ohrwürmer von Saga heute? Ich gebe zu – merkwürdig wenig. Und ich habe gerade aus der Anfangszeit der Band einiges im Plattenschrank stehen.
Saga
Michael Sadler ist sicherlich der Frontmann von Saga, ohne den nichts geht. Das stellt er auch an diesem Abend unmissverständlich unter Beweis. Wäre er nach seinem Ausstieg 2007 nicht mehr zurück gekehrt, wäre die Band definitiv am Ende gewesen. So ist sie wenigstens wieder am Anfang, wird sich aber mit großer Sicherheit auch keinen Deut mehr weiter bewegen. Die Band um ihn steht für einen Soundteppich, in den sie sich selbst und den selbstzufriedenen Zuhörer so eingewickelt und eingelullt hat, dass jede Entwicklung nur ein unabwägbares Risiko bedeuten würde. Und musikalisches „Developement“ mag die Kernfangemeinde von Saga nun überhaupt nicht. Damit soll die Musikalität der einzelnen Bandmitglieder keineswegs geschmälert oder in Abrede gestellt werden.
Jim Gilmour verrichtet eine ganz hervorragende Arbeit an den Keyboards, aber singen sollte man ihn besser nicht mehr lassen. „Scratching The Surface“, einem meiner Lieblingsstücke der Band, hat er so leider großen Schaden zugefügt. Ich habe mir beim Schreiben dieser Zeilen gleich noch mal die wirklich hervorragende Studioversion als geeignetes Mittel zur Rekonvaleszenz und Wiedergutmachung zu Gemüte geführt.
Auch den Brüdern Jim (E-Bass, Keyboard, Gitarre) und Ian Crichton (Leadgitarre) kann man großes Engagement und Fertigkeit an ihren Instrumenten keineswegs absprechen. Es ist die für den Sound von Saga typische „Keyboard-Lastigkeit“, die den Auftritt ab und dann, wenn auch Sänger Michael Sadler sich an sein Tasteninstrument im Rückraum der Bühne zurückzieht, zum bloßen Soundtrack unserer längst vergangenen Jugend werden lässt.
Sadlers Bühnenpräsenz als Sänger ist allerdings legendär. Er spielt zudem auch eine ganz hervorragende Luftgitarre. Ist denn Freddie Mercury wieder auferstanden? Rein äußerlich wirkt er allerdings mehr wie ein jüngerer leiblicher Bruder von Ben Kingsley in „Gandhi“ oder „Sexy Beast“. Die Stimme (auch seine Figur) ist nach wie vor tadellos und harmoniert auch hervorragend mit dem oft staccatoartig gespielten Schlagzeug von Brian Doerner, der erst seit dem Jahr 2005 bei Saga sein Zuhause gefunden hat.
Der Auftritt der Band endet nach exakt knapp 90 Minuten. „Don’t be late“ – die Bühne muss schließlich für Marillion, die zweite Band des Abends bereitet werden.
Marillion
Was dürfen wir denn von dieser Band, die 1979 gegründet wurde, heute Abend erwarten? Trauer um den ehemaligen Sänger „Fish“, der seit dem Jahr 1988 nicht mehr mit dabei ist und dabei die Band damals hinsichtlich ihres Images ähnlich geprägt hat wie Peter Gabriel die frühen Genesis? Trauerarbeit müsste bei Marillion wirklich viel geleistet werden, denn als Einziger der Urformation ist lediglich noch Steve Rothery an der Gitarre mit dabei. Doch es kommt ganz anders.
Die Band verfügt mit Steve Hogarth als Sänger, Gitarristen und gelegentlichem Keyboarder über eine ausstrahlungsstarke und zudem äußerst sympathische Gallionsfigur. Gespielt werden überwiegend Songs aus der „Hogarth-Ära“. Der bekannteste Titel aus der „Fish-Ära“ – Kayleigh – wird von Hogarth durchaus anständig adaptiert.
Die Musik ist natürlich nach wie vor Nischenmusik, sie ist damit aber auch im eigentlichen Sinne wirklich „progressive“. Die Band hat seit dem Weggang früherer Bandmitglieder sich immer wieder zusammenraufen und an der musikalischen Neuausrichtung arbeiten müssen. Dies tut sie auch durchaus kommerziell erfolgreich. Die Fangemeinde scheint jedenfalls nicht zu schrumpfen. Der Verkauf der Ton- und Bildträger erfolgt zunehmend mehr über die bandeigene Homepage. Dies reicht natürlich längst nicht mehr zu nennenswerten Charterfolgen, aber zum Wesentlichen: guter, bestimmt nicht immer eingängiger, Musik.
Die Band hat erkennbar großen Spaß zusammen zu spielen. Dies dürfte dem Publikum nicht entgangen sein. Man sieht es dem Minenspiel von Steve Rothery vielleicht nicht unbedingt an. Die Beflissenheit mit der sich dieser Drei-Zentner-Mann (grob geschätzt) an der Gitarre zu schaffen macht, kann aber nur eines bedeuten: Liebe und Hingabe für die Musik mit seiner Band Marillion. Das Publikum dankt der Band nach neunzig Minuten mit wesentlich mehr als nur höflichem Applaus.
Manch einer dürfte das Doppelkonzert als Zeitreise empfunden haben. Jetzt aber alle wieder aussteigen! Die Posthalle leert sich sukzessive, die Zuhörer gehen ohne große Eile.
Hier war heute Abend ein sicherlich sehr heterogenes Publikum zusammengekommen. Ein Anhänger von Saga muss schließlich (bisher) nicht auch einer von Marillion oder umgekehrt (gewesen) sein.
Beide Bands haben ihre Existenzberechtigung, solange man ihre Musik noch hören mag. Enttäuscht haben uns beide nicht. Doch eine langjährigere musikalische Zukunft dürfte nur der Band vorbehalten sein, die Entwicklungen zulässt, die sich selbst und ihre Fans auch immer wieder zu fordern vermag.
Gerald Langer für music2web.de (12-11-2011)
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