Randy Newman: Meistersingerhalle Nürnberg 2012

Randy Newman

Datum: 19.03.2012
Venue: Meistersingerhalle Nürnberg
Autor/Fotograf: Gerald Langer



Konzertbericht

Kopfkino Non-Stop beim Solo-Konzert der amerikanischen Singer- und Songwriter-Legende

Nürnberg (music-on-net) Am heutigen Montagabend geht die Deutschlandtournee der amerikanischen Singer- und Songwriter-Ikone in der geschichtsträchtigen Stadt zu Ende. Viele große deutsche Städte hat er in den vergangenen zwei Wochen bereist. Überall wurde er frenetisch gefeiert.

Der Große Saal der Meistersingerhalle am Dutzendteich füllt sich erst zögerlich, dann schlagartig. Der akustisch hervorragende Konzertraum bietet, wenngleich längst nicht ausverkauft, einen geradezu idealen Rahmen für den Auftritt der amerikanischen Legende.

Heute Abend ohne Band, ohne Orchester, Randy Newman solo am Klavier. Pünktlich um 20:00 betritt Mr. Newman die wahrhaft große Bühne, die den ganzen Abend über außerordentlich spartanisch illuminiert bleiben soll. Der Publikumsraum ohnehin stockdunkel. Mit „Last Night“ beginnt ein Liederreigen von zunächst insgesamt neunzehn Pretiosen.

„Mama Told Me Not To Come“, „Living Without You“, „Short People“, „Birmingham“, „Themes From Toy Story“, „You Can Leave Your Hat On“ und vieles mehr folgt. Bei „I’m Dead“, „But I Don’t Know It“ wird das Publikum von Randy Newman sogar mit einbezogen und antwortet mit einem korrekt gesungenen „He‘ s Dead, He‘ s Dead“.

Am Schluss des ersten Sets folgt dann ein famoses „Political Science“.


Bildergalerie | Randy Newman

Randy Newman Meistersingerhalle Nuernberg 2012 © Gerald Langer 14
Randy Newman – Meistersingerhalle Nuernberg 2012 © Gerald Langer


Die zweite Halbzeit

Nach einer knappen Stunde konzentriertem Zuhören zwanzig Minuten Pause. Genügend Zeit, sich die Beine zu vertreten und natürlich auch die Begeisterung des Publikums nach der ersten Halbzeit im Foyer zu spüren. Mit einem Gongschlag, wie wir ihn aus dem Theater kennen, füllt sich die Meistersingerhalle ein zweites Mal. Jetzt alles ruhig und bedächtig, bloß keine Hast. Jede Minute wollen wir genießen.

Es erwarten uns unter anderem Songjuwelen, wie „In Germany Before The War“, „Baltimore“, „Louisiana 1927“, „It’s Money That I Love“, „Real Emotional Girl“.

Ein über alles erhabenes „I Miss You“ kündigt von Randy Newman als „Love song for my first wife, when I married my second“ an. Da ist es wieder, sein listiges Augenzwinkern hinter der heute nicht mehr ganz so markanten Brille früherer Tage. Mit einem gesprochenen Satz und einem gerade mal drei Minuten dauernden Song bringt er meisterhaft alle Widersprüchlichkeiten menschlicher Beziehungen auf den Punkt.

Short stories

Es sind seine überwiegend amerikanischen, zum Teil sehr persönlichen short stories, die uns bewegen, uns mitten ins Herz treffen. Und Newman schafft das allein mit seinem Konzertflügel und seiner leicht nasdalen Stimme, die manchmal, wie ein Frosch im Wasser, nach mehr Luft schnappt.

Die Bilder, die seine Songs bei uns auslösen, werden schon bald zu unseren ganz persönlichen Kurzfilmen. wir vermissen kein Orchester, nicht einen Streicher bei Baltimore. Wir imaginieren sie ganz einfach. So funktioniert Kopfkino. Hier in der Meistersingerhalle sogar mit offenen Augen. Licht- und Orientierungspunkt einzig und allein der Maestro selbst am schwarzen Steinway-Flügel.

Randy Newman hat zwar einige Studioalben in den letzten vierzig Jahren herausgebracht, unterm Strich ist der Anteil seiner Scores mittlerweile deutlich größer. Damit bleibt Randy Newman der Familientradition treu. Seine drei Onkel – Alfred, Emil und Lionel Newman – waren ebenfalls erfolgreiche Komponisten von Filmmusik. Randy dürfte aber der Raffinierteste von ihnen sein.

Kopfkino

Nach vielen Jahren begreifen wir endlich, dass auch seine Studioalben nichts anderes als die Hintergrundmusik für unsere ganz individuellen Filme, unsere Erlebnisse, die sich innerhalb unseres Kopfes abspielen oder dort einfach abgelegt sind, liefern.

„Weniger ist mehr“ – hier trifft die alte Architektenweisheit auch auf das Genre der gehaltvollen – und eben nicht Sinn entleerten – Unterhaltungsmusik zu.

Man muss genau zuhören, dem Text und der immer wieder besonderen Intonation im musikalischen Vortrag.

Natürlich ist Newman’s Stimme nicht immer ganz so rund, wie wir sie von seinen Studioaufnahmen kennen. Mancher Ton wird nicht mehr ideal getroffen. Der Wirkung seiner Lieder auf das Publikum tut dies überhaupt keinen Abbruch. Randy Newman ist musikalischer Geschichtenerzähler. Und eine wirklich berauschende Singstimme hat er nie gehabt, wir haben sie bei ihm auch nie vermisst.

40 Songs inklusive Zugaben

Als Zugaben kredenzt Newman „Feels like Home“ und „I Guess It’s Going To Rain Today“. Macht ein Paket von exakt 40 Songs.

Ein perfekter Abend – großes Unterhaltungskino ohne Leinwand – geht zu Ende. Die meisten Zuhörer gehen aus dem Konzertsaal wie nach einem neuen großen Woody Allen Film – im positiven Sinne betroffen und berührt.

Auf der Heimfahrt schiebe ich den Best-of-Sampler „Lonely At The Top“ von Randy Newman in den CD-Player. Durchaus eine gute Zusammenstellung, tolle Orchestrierungen und handverlesene Studiomusiker.

Den bleibenden Eindruck des gerade zu Ende gegangenen Konzertes substituiert der Tonträger nur dann annähernd, wenn bei uns wieder das Kopfkino eingeschaltet wird. Geht aber gerade nicht – die Rückfahrt auf der Autobahn erfordert Konzentration und lässt Randy Newman lediglich als Hintergrundmusik zu. Was für ein Frevel!


Konzertbericht und Konzertfotos © Gerald Langer (für music2web.de)


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