The Miserable Rich
Datum: 04.02.2012
Venue: Cairo Würzburg
Autor/Fotograf: Gerald Langer
Inhalt
Konzertbericht
Würzburg (music-on-net) Als Kammerpop angekündigt, hat die mittlerweile sechsköpfige britische Band THE MISERABLE RICH mit der sogenannten Populärmusik allerdings nahezu nichts gemein.
Denken wir an Brighton, fallen uns spontan vielleicht die Mods, deren Gegner, die Rocker, fürchterlich aufgemotzte Motorroller, The Who mit Quadrophenia, und vielleicht noch ein mittlerweiler – leider abgebrannter und dem weiteren Verfall preisgegebener – Westpier, einst das Wahrzeichen des Seebades Brighton, ein.
Nach dem Konzert im Würzburger Cafe Cairo dürfte für den einen oder anderen Zuhörer ein neues Erinnerungsstück, ein weiteres Sinnbild für Brighton hinzugekommen sein.
Die Band THE MISERABLE RICH um Gründungsmitglied, Sänger und Texter James de Malplaquet befindet sich derzeit auf Tour mit dem im vergangenen Herbst erschienenen dritten Album „Miss You In The Days“, und macht dabei – nach den Jahren 2008 und 2010 – zum dritten Mal auch Halt im Würzburger Cairo.
Kammermusik im Cairo
Mit durchgehend trauriger und trübseliger Kammermusik brilliert die vorzügliche Band, zu der neben dem weiteren Gründungsmitglied Will Calderbank (Cello), Mike Siddell (Violine), Ricky Pritchard (Gitarre), Rhys Lovell (Bass) und der neu hinzugekommene Schlagzeuger Martin Deering gehören, heute Abend nicht.
Das Sextett, die meisten Bandmitglieder Multiinstrumentalisten, bewegt sich vielmehr fröhlich und heiter, immer auch mit einem Schuss Ironie versehen und mit dem vermeintlichen Traurigsein kokettierend, frei von Raum und Zeit im eigenen Klangkosmos, der sich natürlich aufgrund der intensiv eingesetzten Streichinstrumente nur schwer oder gar nicht in den gängigen Schubladen unterbringen lässt.
Durch den Einsatz des auf dem aktuellen Album erstmals von der Band verwendeten Schlagzeuges gewinnt die Musik von THE MISERABLE RICH spürbar an Fahrt, ja sie „rockt“ nun mehr. Sie wird auf diese Weise, man möge mir das eher negativ behaftete Adjektiv nachsehen, vielleicht auch etwas „massentauglicher“.
Ein „Mehr an Popularität“ ist dieser Art von Musik sehr wohl zu wünschen. THE MISERABLE RICH werden sicherlich nicht eine Hallen- oder gar Stadionband werden – Gott bewahre – aber deutlich mehr Zuspruch und Bekanntheitsgrad sollten wir ihr unbedingt angedeihen lassen. Der verständlichen, aber immer höflichen, Aufforderung von James de Malplaquet nach etwas mehr „Support“ wollen wir somit gerne nachkommen.
Die im Anschluss an das gut hundertminütige Konzert erworbene Vinylausgabe von „Miss You In The Days“ dreht sich zumindest bei mir schon den ganzen Nachmittag.
Rock’n Roll City Würzburg
James de Malplaquet hat Witz, mokiert sich über Würzburg als „Rock’n Roll City“, spricht nebenbei ein gut verständliches Deutsch, wechselt, mit zuvor eingeholtem Einverständnis des Publikums, dann doch wieder in – allerdings ebenfalls gut verständliches – Englisch. Er gestaltet die Ansagen als kleine Kurzgeschichten, die auf den Inhalt des nachfolgenden Stückes hinweisen. Der jeweilige Titel wird regelmäßig nicht genannt. Am Ende des Berichtes eine Setlist, die ich dem von James de Malplaquet handschriftlich beschriebenen Pappkarton, den mir freundlicherweise der Drummer überlassen hat, entnommen habe. Sie dürfte – nach meiner Rekonstruktion – den Fahrplan einigermaßen korrekt wiedergeben.
„Sexy and spooky“ wird das neue Album von de Malplaquet beschrieben. Aufgenommen in einem Spukhaus, in welches sich die Band zu den Aufnahmen zurückgezogen hatte, geistert diese spannende Melange heute Abend durch das ehemalige Frauengefängnis am Fuß des Festungsberges. Das Publikum ist restlos begeistert, ja es wippt und tanzt sogar verhalten mit. Von Grusel also keine Spur.
Höhepunkte des Konzertes von The Miserable Rich sind unter anderem die zwei Zugaben, „Pisshead“, die Säuferballade mit dem sich anschließenden Katerstück „Hungover“. Beides von der Band – unplugged – gespielt im Publikum mit einem extrem glaubwürdig taumelnden James de Malplaquet. Danach – quasi Kehraus – auf der Bühne mit einem gewaltigen „Ringing The Changes“. Nochmalige Zugabenrufe holen die Band zwar nicht mehr auf die Bühne zurück, aber sie steht bereit für Gespräche mit dem Publikum, was sich so bald noch nicht in die eisige Nacht verabschieden mag. Wohlige Wärme im Cairo also auch nach dem Konzert.
Schön war’s! Wir erwarten ungeduldig die baldige Rückkehr in die „Rock’n‘ Roll City Würzburg“.
Setlist | The Miserable Rich
Imperial Lines – Laid Up In Lavender – Honesty – Certain Night – Let Me Fade – Time – Muswell – Monkey – Chestnut Sunday – For Heaven – Tramps – Under Glass – Pillion – Zugaben: Pisshead – Hungover – Ringing The Changes
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