John Cale Band
Datum: 27.02.2013
Venue: Hirsch Nürnberg
Autor/Fotograf: Gerald Langer
Inhalt
Konzertbericht
„Make noise, be quiet, learn more“
Nürnberg (music-on-net) – John Cale einmal „live“ erleben zu dürfen, war mir schon seit bald dreißig Jahren eine Herzensangelegenheit. Sein Auftritt in der WDR-Rockpalast-Nacht vom 13.10.1983/14.10.1983 hat sich mir in das Gedächtnis förmlich eingebrannt. Nach seiner sensationellen Show verfolgte ihn die Kamera in den Backstage-Bereich, wo er sich, mit dunkler Sonnenbrille auf der Nase, vor einen Fernseher setzte, bei dem es nur noch das weiße Rauschen gab. Kein Bild, kein Ton! Ruhe – Entspannung, wie man sie künstlerisch nach einem Fernsehauftritt kaum besser darstellen kann.
An dieser Stelle knüpft für mich der Auftritt der aktuellen John Cale Band geradezu nahtlos an und ist dabei inhaltlich doch ganz anders. Mit einem minutenlangen technoiden Gewitter beginnt die Show im gut gefüllten Hirsch, in dem sich viele Gäste befinden, die – statistisch gesehen – wohl eher schon die zweite Lebenshälfte geniessen. Während sich die zunächst an eine Schülerband erinnernde Band platziert, findet auch John Cale unter ersten Jubelrufen aus dem Publikum seinen Platz an den Keyboards. Diesen wird er für die nächsten Stücke auch nicht verlassen.
Als „Opener“ wird das betagte Hedda Gabler (1976) – umarrangiert, aber doch relativ schnell identifizierbar – offeriert. John Cale ist von Anfang an gut gelaunt, wohl keine Selbstverständlichkeit bei ihm, und höflich. Nach jeder Nummer bedankt er sich. Die musikalische Ausrichtung ist von Anfang an vorgegeben. Balladen werden wir wohl nicht erwarten dürfen. Es soll rockig und außerordentlich rhythmusbetont weitergehen. Das Quartett strotzt förmlich vor Energie. Mit Dustin Boyer, Leadgitarrist, hält Cale regelmäßigen Blickkontakt. Ein Blick von John Cale über die rechte Schulter genügt. Bei aller Vitalität scheint Cale Probleme im Hüftbereich zu haben, die ihm das Gehen erschweren.
Shifty Adventures In Nookie Wood
Dass die geschickt gesetzten Songs seines aktuellen Albums „Shifty Adventures In Nookie Wood“ an Drum-Machines entstanden sein sollen, wird Cale heute Abend jeder ohne großes Zögern abnehmen. Eine solch Mensch gewordene Maschine sitzt mit dem jungen Alex Thomas am Schlagzeug. Zusammen mit dem Bassisten Joey Maramba bestimmt er maßgeblich das Tempo – und das ist hoch, manchmal sehr hoch! Auf diesem soliden Rhythmusfundament setzt dann das beherzte Zusammenspiel von John Cale und Dustin Boyer auf.
Nach vorne zu schauen, sich musikalisch ständig weiter zu entwickeln, Altes geschickt zu variieren und neu und unerhört klingen zu lassen, gelingt der Band unter ihrem spiritus rector auf wahrlich frappierende Art und Weise. Man spürt förmlich die Magie des Momentes, in dem alles zusammenklingt und zusammenpasst. Augenblicke, die nur schwer reproduzierbar sind.
„Make noise, be quiet, learn more“ so das zusammenfassende Credo des einstigen Walisers und des heutigen Metropoliten John Cale, den es mittlerweile an die Westküste der USA nach Kalifornien verschlagen hat. Der Kunst schaffende Freigeist wird es sich nie in einer Schublade bequem machen, sondern immer wieder die Grenzen neu ausloten. Neue Songs werden dazu kommen, möglicherweise deutlich weniger rockig. Gut möglich, dass es diese John Cale Band nach der laufende Tour nicht mehr geben wird.
Cale kann auch Pop, wenn er bei „Nookie Woods“ das Publikum, etwas herumalbernd, zum Mitklatschen animiert. Und fast alle machen auch mit. Es ist der Endspurt vor der Zugabe, in der Guns und Pablo Picasso brilliant miteinander verwoben werden. Am Ende der Show diemal kein weißes Rauschen, sondern breite Begeisterung im Publikum. Hundert unvergessliche Minuten John Cale.
In einem Interview mit der Teleschau antwortete Cale auf die Frage, ob er so etwas wie das Gefühl von Stolz kenne, wenn es um seine Musik ginge. Seine Antwort – hier etwas verkürzt wieder gegeben: „Stolz empfinde ich, … wenn ich irgendetwas in einem Menschen ausgelöst habe könnte, das danach gar nicht mehr weggeht.“ Bei mir hat er das nach dreißig Jahren zum zweiten Mal geschafft.
Setlist
- Hedda Gabler
- Captain Hook
- Cry
- December Rains
- Perfection
- Whaddya Mean By That
- Living With You
- You Know More Than I Know
- Leaving It Up To You
- Guts
- Scotland Yard
- I Wanna Talk 2 U
- Praetorian Underground
- Face To The Sky
- The Hanging
- Nookie Wood
- E: Gun > Pablo Picasso
Line-up
John Cale: vocals, guitar, keyboards, viola
Dustin Boyer: lead guitar
Alex Thomas: drums
Joey Maramba: bass
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