
Ian Anderson’s Jethro Tull Live
Datum: 06.07.2025
Venue: Gut Wöllried Rottendorf/Würzburg
Show: Kulturtage auf Gut Wöllried
Tour: The Curiosity Tour
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Autor/Fotograf: Gerald Langer
Inhalt
Konzertbericht
Ian Anderson’s Jethro Tull gehört zu den Bands, die ich seit einem halben Jahrhundert auf dem Schirm habe. Ihr legendäres Album Aqualung (1971) ist heute Abend gleich mit vier Songs vertreten:
Mother Goose, My God, Aqualung am Ende des Sets und das unvermeidliche Locomotive Breath als Zugabe.
Komponist, Frontmann, Sänger, Gitarrist, Flötist Ian Anderson ist das noch immer pulsierende Herz einer Band, die sich über viele Jahrzehnte ihre Fangemeinde aufgebaut hat, zu der mittlerweile nicht nur in allen Ehren ergraute Menschen zählen, sondern ganz offensichtlich auch einige deutlich jüngere Altersschichten, wie der Blick über die Stuhlreihen vor der Bühne erkennen lässt.
Zu Beginn des Konzertes wird freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass Mister Anderson keine Smartphones während des Konzertes wünsche, da sie der Konzentration auf die komplexe Musik, wie sie heute Abend präsentiert würde, abträglich seien und ihn störten.
Auch ich befinde mich heute nicht eine Sekunde lang im Fotograben, wie ich es mir und einige andere Konzertfotografen sicherlich auch ursprünglich gewünscht hatten. Damit kann ich durchaus umgehen, vor allem dann, wenn man konzentriert das Bühnengeschehen im Blick hat und zu dem Schluss kommt, dass auf der Bühne streng genommen nichts Spektakuläres passiert.
Stattdessen warte ich geduldig auf die signifikante Pose Anderson’s, bei der er auf einem Bein steht und Querflöte spielt. Er beherrscht sie auch noch mit 77 Lebensjahren. Einige Male baut er diesen subtilen Show-Effekt beim heutigen Auftritt von Jethro Tull ein. Das ist noch immer ein Hingucker.
Seine aktuelle Touring-Band kleidet die Songs in ein frisches instrumentales Gewand, der Sound selbst ist trocken, klar und präzise, die Lautstärke während des gesamten Konzertes in den hinteren Reihen, wo ich mich aufhalte, knapp unter der kritischen 90 db-Marke.
Die angegriffene Stimme von Ian Anderson ist allerdings, unüberhörbar bei den älteren Songs, die er heute hier (und anderswo) überwiegend präsentiert, der einzige Schwachpunkt des von einer gut zwanzigminütigen Pause unterbrochenen Sets.
Seine charakteristische Stimme hat er sich auf der Tour zum 1984-er Album Under Wraps leider nachhaltig ruiniert. Vor einigen Jahren half Sänger Ryan O’Donnell auf der Bühne aus, heute springt die aktuelle Bandbesetzung gelegentlich ein.
Mir persönlich gefallen insofern die präsentierten – allerdings viel zu wenigen – neueren Songs, die, die veränderten, aber noch immer vorhandenen, stimmlichen Qualitäten Anderson’s würdigen, erheblich besser als der präsentierte Backkatalog. Das kürzlich erschienene Album Curious Ruminant ist lediglich mit dem Titelsong vertreten.
Ich bin mir sicher, dass Anderson genau dieses Dilemma, in dem er sich befindet, seit Jahren bewusst ist. Der überwiegende Teil seiner Fans mag eben die alten „Hits“ hören. Und diese Erwartungen möchte er erfüllen. Er ist stattdessen eitel genug, sich irgendwie stimmlich durchzulavieren als sich diesbezüglich nachhaltig unterstützen zu lassen.
Der Geschäftsmann aus dem Vereinigten Königreich ist auch zwischen den Auftritten mit Jethro Tull „very busy“. Seit Jahren läuft die nicht enden wollende Aufarbeitung des umfangreichen Backkataloges von Jethro Tull. Der britische Musiker Steven Wilson (Porcupine Tree), poliert nach und nach die älteren Alben klanglich auf.
Am 11.07.2025 wird – es klingt fast ein wenig programmatisch – „Still Living In The Past“ wiederveröffentlicht.
Die heute auszugsweise erlebte Musik von Jethro Tull mit dem Musiker, der mit Querflöte und Flatterzunge die Rockmusik bis heute in besonders einzigartiger Art und Weise prägt, hat beim Publikum sicherlich viele Erinnerungen ausgelöst, auch bei mir.
Unterm Strich hinterlässt das fast zweistündige Konzert deutlich mehr zufriedene als unzufriedene Gesichter, wie ich beim Lösen meines Fahrradschlosses in der einbrechenden Dunkelheit feststellen kann.
Wir sind schließlich alle in die Jahre gekommen, sollten das respektieren und eben ein stückweit nachsichtig sein. Der Respekt vor Ian Anderson’s beachtlichem Lebenswerk bleibt sicherlich bestehen.
„Skating away, skating away, skating away
On the thin ice of the new day …. „
© Ian Anderson (Jethro Tull)
Setlist
Set 1:
- Beggar’s Farm
- A Song For Jeffrey
- Thick As A Brick (abbreviated version)
- Mother Goose
- Songs From The Wood
- Weathercock
- The Navigators
- Curious Ruminant
- Bourrée In E minor
- (Johann Sebastian Bach cover)
Set 2:
- My God
- Some Day The Sun Won’t Shine For You
- The Zealot Gene
- The Donkey And The Drum
- Over Jerusalem
- Budapest
- Aquadiddley
- Aqualung
Encore:
- Locomotive Breath
Line-Up
Ian Anderson: Flute, vocals & acoustic guitar
Jack Clark: Guitar & vocals
Scott Hammond: Drums
John O’Hara: Keyboards & vocals
David Goodier: Bass guitar & vocals
Konzertfotos
Es waren keine Konzertfotografen zugelassen. Das Publikum durfte während des Konzertes nicht mit Smartphones filmen oder fotografieren. Erst bei der Zugabe waren Smartphones erlaubt. Auch ich schlich mich nach vorne.














