Festivalbericht und Konzertfotos
Das 35. Würzburger Jazzfestival im Rückblick
Jazz am 26./27. Oktober 2019 im Felix-Fechenbach-Haus Würzburg
Würzburg (music-on-net) – Das 35. Jazzfestival ist seit einigen Tagen vorbei. Einige Anschlussveranstaltungen wird es noch geben, auf die ich am Ende des Beitrages noch aufmerksam machen werde.
Nicht nur fotografisch habe ich die beiden Tage in diesem Jahr erstmalig komplett begleiten können, auch war ich bei allen Konzerten vom Anfang bis zum Ende dabei. Das war in der Vergangenheit so uneingeschränkt nicht der Fall.
Samstag, 26.10.2019
Den Auftakt am Samstagabend gestaltete die Band Axis. Axis: Bold as Love war das zweite Album der Jimi Hendrix Experience mit dem virtuosen Jimi Hendrix an der E-Gitarre. Noch heute ein legendär zu nennendes Album, das Blues und Rock vermählt hat.
Jimi Hendrix ohne Gitarre zu präsentieren, ist nicht nur mutig, es ist irgendwie auch experimentell. Insofern könnte das Quartett durchaus auch Max Arsava Experience heißen.
Der Pianist hat nur das Pech, das er mit dem Rücken zum Publikum sitzt, die Kommunikation übernehmen insofern Saxofonist Sebastian Wagner, Schlagzeuger Jonas Sorgenfrei und vor allem die mit einer fabelhaften Stimme gesegnete Sarah Buchner.
Das Quartett begeistert und bietet als Zugabe ihren Opener „The Wind Cries Mary“ sozusagen als Reprise-Version. Ein insgesamt sehr spannender Auftritt, der im Rahmen der Interpretationen stellenweise allerdings nur noch den sensibelsten Zuhörern die Spurenelemente der Hendrix’schen Originalversionen nachvollziehen liess.
Die Nighthawks folgen. Meine ersten Assoziationen natürlich das weltbekannte Bild von Edward Hopper und Tom Waits‘ geniales Album „Nighthawks At The Diner“.
Die Musik der deutschen Band Nighthawks um Bassist Dal Martino und Trompeter Reiner Winterschladen ist insgesamt leichter verdaulich und bewegt sich im Grenzbereich des Jazz zur elektronischen Musik mit eingebauten Dancefloor-Elementen und einem Schuß „Rock“. Jazz zum Zuhören und zum Mitwippen, damit die rechte Vorbereitung auf das anstehende samstägliche Finale.
Dieses wird vom Leo Betzl Trio bestritten. Dieser phänomenale Auftritt dürfte sich ins kollektive Gedächtnis der Besucher der Samstagkonzerte am meisten eingebrannt haben. Möglicherweise wird sich der eine oder andere die Frage gestellt haben: „“Ist das überhaupt noch eine Spielart des Jazz?“ oder marschiert das Trio möglicherweise bereits in eine ganz andere Richtung.
Bassist Maximilian Hirning gibt die Richtung zu Beginn des Sets vor:
„Wir spielen nun etwa eíne Stunde. Sie können zwischendurch ruhig klatschen, wenn es Ihnen gefällt!“
Was folgt ist ein musikalisches Manifest, welches die Band auf ihrer Homepage so beschreibt:
„Lebendiger Techno. Rein akustisch erzeugt, auf Klavier, Kontrabass und Schlagzeug, ohne Computer oder Synthesizer…………“
Eine – so finde ich – äußerst treffende Beschreibung dieser besonderen Melange, die nicht nur mich begeistert, sondern einige Gäste von den Sitzen reißt und vor der Bühne tanzen lässt.
Die Zugabe hätte es im Nachhinein gar nicht mehr gebraucht. Leo Betzl am Klavier, Sebastian Wolfgruber am Schlagzeug und Maximilian Hirning am Bass hatten zuvor bereits einen tiefen Eindruck hinterlassen.
Sonntag, 27.10.2019
Der Sonntagabend begann mit dem zauberhaften Quartett um die ukrainische Sängerin Viktoria Leléka. Den Lyrics konnten sicherlich die wenigsten Zuhörer folgen, der besonderen Stimmung, die diese ukrainisch-polnisch-deutsche Allianz brillianter Musiker schuf, sehr wohl. Einige Songs feierten im Grombühler Felix-Fechenbach-Haus zudem Premiere.
Selbst als Viktoria Leléka am Ende eines Songs schweigend innehält, alles mucksmäuschenstill ist, schwingt ihre Musik nach. Mehr kann man als Sängerin kaum erreichen. Leléka als Band haben nicht nur mich an diesem Abend berührt.
Mit der Wolfgang Lackerschmid Connection sind Vertreter „klassischer“ Jazzmusik vertreten. Der Vibraphonist Lackerschmid ist mit nunmehr 63 Lebensjahren eine lebende Legende des deutschen Nachkriegsjazz. Das gesamte Setting – Ryan Carniaux an der Trompete, Stefan Rademacher am Bass und Guido May am Schlagzeug – darf als das wohl perfekteste des diesjährigen Jazzfestivals bezeichnet werden.
Mitreißende Soli an einigen Stellen, überhaupt genial, wie sich die Musiker „die Bälle“ zuspielen. Ich hoffe, dass man es anhand meiner Fotos zumindest etwas nachfühlen kann.
Am Schluß ist mit der Jazzkantine Party angesagt. Mir persönlich hat die Multikulti-Band ausgesprochen gut gefallen, ich kann aber durchaus verstehen, wenn der eine oder andere zu vorgerückter Stunde etwas gezuckt hat.
Der Mix aus HipHop, Rap und Jazz mit „Rockeinsprengseln“ dürfte sicherlich nicht jedermanns Sache gewesen sein.
Als Finalisten der zweitägigen Veranstaltung sind sie ähnlich treffend besetzt wie im letzten Jahr die Jazzrausch Big Band. Das Publikum tanzt vor der Bühne – warum auch nicht? Jazzkantine zünden ein musikalisches Feuerwerk!
Jazz muss nicht immer eine zutiefst ernste Angelegenheit sein. Davon konnte man sich beim diesjährigen Würzburger Jazzfestival überzeugen. In Erinnerung bleiben viele großartige Momente, die ihren Ursprung in der Spielfreunde unglaublich talentierter Musiker haben.
© Gerald Langer
Bildergalerie | LBT – Leo Betzl Trio
Bildergalerie | Wolfgang Lackerschmid Connection
Am Ende noch Hinweise zum Rahmenprogramm des Würzburger Jazzfestivals:
DONNERSTAG, 07. NOVEMBER 2019 – 19:30 UHR
LOU-DUO
Klangraum Jazz-Konzert im Kulturspeicher Würzburg (Freundeskreis Kulturspeicher e.V.)
Veranstaltungsort: Kulturspeicher
Oskar-Laredo-Platz 1, 97080 Würzburg
Eintritt: 14,- Euro
Weitere Infos: siehe Homepage des
Freundeskreis Kulturspeicher e.V.
„Von Balkan bis Strandurlaub“ umreißen die jungen Würzburger ihr Repertoire von Eigenkompositionen an Klavier und Schlagzeug. Felix Schneider und Jonas Sorgenfrei taten sich im letzten Jahr zusammen, um rhythmisch betonte, meditative und lyrische Musik im aktuellen Zeitgeist zu verankern. Außerdem wollte jeder seinen eigenen Vorbildern huldigen.
MITTWOCH, 13. NOVEMBER 2019 – 20:00 UHR
LITERA-JAM
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Theater am Neunerplatz und der Buchhandlung Knodt.
Veranstaltungsort: Theater am Neunerplatz
Adelgundenweg 2A, 97082 Würzburg
Eintritt: 12,- Euro / 8,- Euro ermäßigt
Weitere Infos und Reservierungen:
https://www.neunerplatz.de/
Festivalmacher und Gäste blicken zurück auf das 35. Jazzfestival der Jazzinitiative Würzburg e. V. und einige vorherige. Und sie betten das lokale Geschehen in einen größeren Rahmen ein. Sie lesen Jazz-Stellen aus der Weltliteratur vor, ein gutes halbes Dutzend kurzer Kernmomente in Geschichten von Toni Morrison, James Baldwin, F. C. Delius, Max Dauthendey u.a.
SAMSTAG, 16. NOVEMBER 2019 – 20:00 UHR
SCHMIDL & VOLPERT
Veranstaltungsort: stahl.lehrmann architekten
Am Schloss 3, 97084 Würzburg / Rottenbauer
Eintritt: 14,- Euro / 12,- Euro ermäßigt
Weitere Infos:
www.stahl-lehrmann.de
Electronic Fusion und Worldmusic spielen Keyboarder Burkard Schmidl und E-Gitarrist Jochen Volpert. Schmidl prägte gemeinsam mit den Dissidenten die Weltmusik mit. Seit 30 Jahren experimentiert er mit melodiösen Klang-Installationen. Und seit er den Blues, Funk und Jazz von Volperts Gitarren kennt und seinen Spielwitz liebt, rockt er auch wieder.
Der Architekten-Konzertsaal liegt in Rottenbauer Am Schloss 3, fünf Fußminuten von der Endhalte der Straßenbahn 5.
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