The Great Harry Hillman
Titel: Veer Off Course
VÖ: 05.10.2015
Vertrieb D/A/CH: KLAENG Records
Formate: CD, digital
Inhalt
Rezension (Album)
The Great Harry Hillman legen nach dem Debüt „Livingston“ (2013) nun ihr zweites Album „Veer Off Course“ vor.
Die Schweiz hat derzeit in etwa soviel Einwohner wie die Metropole London. Die Musikszene des Alpenstaates ist dabei mindestens genauso spannend wie die der Stadt an der Themse. Trendsetting ist freilich nicht das große Thema der eifrigen und auf Perfektion bedachten Eidgenossen. Sie machen primär das, was ihnen gefällt, das dafür mit großer Beharrlichkeit. Der gebürtige Gelsenkirchner Nils Fischer – Saxophonist und Klarinettist bei The Great Harry Hillman – hat sich diese Geisteshaltung ebenfalls zu eigen gemacht.
Harry Livingston Hillman jr. bei den Olympischen Spielen 1904
Eine dieser jungen schweizerischen Bands hat sich also nach einem Sprinter und Hürdenläufer benannt, dessen Glanzzeiten mehr als hundert Jahre zurückliegen. Drei Goldmedaillen hatte sich der damals 23-jährige Amerikaner Harry Livingston Hillman jr. bei den Olympischen Spielen 1904 in St. Louis im US-Staat Missouri erkämpft. Die Bandmitglieder von The Great Harry Hillman sind nur etwas älter, aber sie kämpfen noch um diese breitere Anerkennung.
Das Quartett präsentiert auf dem nunmehr zweiten Album „Veer Off Course“ zehn eigene Kompositionen, die sich am ehesten im Bereich Jazz verorten lassen. Die klassische Rockinstrumentierung mit David Koch an der E-Gitarre, Samuel Huwyler am E-Bass und Dominik Mahnig am Schlagzeug wird dabei raffiniert vom meist subtilen „Gebläse“ Nils Fischers ergänzt. Hinzu kommen allerlei elektronische, mit Bedacht eingefügte, Effekte.
So entstehen eigenständige Stücke mit prägnanten Titelnamen wie „Auf der Romantikskala von 7 bis 1,4“ oder „Der anthropomorphe Kabinettschrank“, die sicherlich mittels dieser Bezeichnungen keinen tieferen Sinn ergeben, aber den auffallenden Wortwitz symbolisch für den Spielwitz des Quartetts nutzen.
Veer Off Course – voll in der Spur
„Veer Off Course“ zeigt die jungen Künstler insofern keineswegs vom Kurs abgekommen, sondern äußerst konzentriert und in der Spur. Gerade dann, wenn kompositorische Strukturen immer wieder bewusst aufgebrochen und improvisatorische Nebenwege beschritten werden. Die gönnt man sich bei den 5- bis gut 7-minütigen „Mittelstreckenläufen“, die durchaus auch „Sprintphasen“ hörbar machen. Deutlich zu vernehmen bei meinem persönlichen Favoriten „Amazing Race“.
Alle vier Bandmitglieder sind studierte Musiker. Oft unterstellt man akademisch ausgebildeten Musikern fehlende Lockerheit. The Great Harry Hillman haben sich ihre Neugier hörbar bewahrt und setzen ihr spielerisches Element sogar im Album-Art-Work fort. Das Albumcover ist sozusagen Origami made in Switzerland, zusammengehalten von einer dunklen Papierbanderole. Wenn man dieses kleine Kunstwerk aufschlägt, sieht man die vier Burschen – beim gestellten – Hürdenlauf in unterschiedlichster Umgebung, nur nicht stolpernd.
Dass diese Formation sehr wohl medaillenverdächtig ist, merkt derjenige, der sich dieses nicht ganz so leicht zugängliche Album unter weitestgehender Ausschaltung möglicher Störquellen anhört. Insofern darf man The Great Harry Hillman auch noch nachträglich zum im Frühjahr 2015 gewonnenen „ZKB – Jazzpreis“ im Moods (ZH) gratulieren.
Tracklist
Höhenflug
Auf der Romantikskala von 7 bis 1,4
Tiefenrausch
Rostbuben
Peace Love And Horses
Der anthropomorphe Kabinettschrank
Der Hall hört mit
Falls du eigentlich ein Dromedar bist
Amazing Race
Die Nebel der Welt
Meine Anspiel-Tipps – fett!
Line-Up
Nils Fischer – saxophone, bass clarinet
David Koch – guitar
Samuel Huwyler – bass
Dominik Mahnig – drums
Credits
Recorded at Maarwegstudio2 | Köln
Recorded and mixed by Wolfgang Stach | February 2015
Mastered by Alex Kloss | Time Tools Mastering & Publishing GmbH | Hannover
Artwork by Samuel Huwyler | humusartwork.ch
Diskografie
Veer Off Course (2015)
Livingston (2013)
Tour
Do 11.02.2016 – Bird’s Eye – Basel CH
MI 18.05.2016 – Chrämerhuus – Langenthal CH