
Jakob Dreyer
Album: Roots and Things
Format: CD, Digital
VÖ: 14.11.2025
Label/Vertrieb: Fresh Sounds Records
Inhaltsverzeichnis
Rezension
Jacob Dreyer, Bassist und Komponist, präsentiert mit „Roots and Things“ ein Album, das auch seine Fähigkeiten als Bandleader erneut unterstreicht.
Seit über zehn Jahren prägt Dreyer das New Yorker Jazzleben. Auf seinem jüngsten Album balanciert er die hier gebündelte Kompetenz seines Quartetts souverän aus und schafft dabei eine lockere Atmosphäre, die den Zuhörer:innen das Gefühl vermittelt, den oftmals dichten Sound der Band in einem New Yorker Club zu genießen und nicht etwa in den heimischen vier Wänden.
Die neue Band setzt auf Vibraphon statt Klavier. Sasha Berliner am Vibraphon, Tivon Pennicott am Tenorsaxophon, Kenneth Salters am Schlagzeug und Jakob Dreyer am Kontrabass bilden ein Ensemble, das ein durchweg zeitlos und wohlig klingendes Klangbild schafft.
Das Album umfasst insgesamt 16 Stücke, die zwischen ausgedehnten, zwischen Melancholie und Fröhlichkeit swingenden Kompositionen und einigen kurzen, klanglichen Interludien wechseln, die den Zuhörer:innen Phasen der Entspannung einräumen.
Die meisten Stücke stammen von Dreyer selbst. Aber auch eine frische Neuinterpretation von Richard Rodgers’ „With a Song in My Heart“ findet sich auf dem Album.
Dreyer’s Bass steht zwar im Zentrum, dominiert dennoch nicht, sondern lässt Raum für andere Klangfarben und Stimmungen.
Sasha Berliner’s Vibraphon ist auf diesem Album das zentrale Gestaltungselement. Rhythmisch treibend oder atmosphärisch schwebend prägt es den Klang des Albums.
Dreyer hat offensichtlich sehr bewusst eine komplett neue Band mit teils neuer Instrumentierung gewählt, um sich von den beiden vorangegangenen Alben – Songs, Hymns and Ballads, Vol. 1 & 2 – zu lösen, die musikalischen Möglichkeiten zu verändern und zu erweitern.
Die Aufnahme ist sauber und klar, ohne aufdringliche Effekte. Sie betont die vertraute Verbindung zwischen den Musiker:innen.
Mit „Roots and Things“ ist Dreyer ein Album gelungen, das sowohl Liebhaber des Modern Jazz als auch Freunde experimenteller, offener und abwechslungsreicher Klangwelten begeistern wird.
Man darf es gerne von „The Fifth Floor“ bis zum „Choral Dinner“ durchhören. Das Album ist ein Fest für die Ohren.
Pressemitteilung
Der vielseitige, in Deutschland geborene und in New York lebende Bassist Jakob Dreyer hatte sich bereits auf zwei früheren Alben seiner Reihe Songs, Hymns and Ballads als äußerst produktiver Komponist erwiesen, doch auf Roots and Things legt er noch einmal eine Schippe drauf.
Mit einer beeindruckenden Besetzung, bestehend aus der Vibraphonistin Sasha Berliner, dem renommierten Tenorsaxophonisten Tivon Pennicott und dem gefragten Schlagzeuger Kenn Salters, präsentiert Dreyer auf seiner dritten Aufnahme für das in Barcelona ansässige Label Fresh Sound New Talent 15 lebhafte und durchgehend swingende Eigenkompositionen sowie ein gut ausgewähltes Cover.
Mit seinem Schwerpunkt auf kraftvollen Grooves und nachdenklichen Balladen, unterbrochen von kurzen Zwischenspielen, die dem Zuhörer als eine Art Unterbrechung dienen, ist Roots and Things ein tiefgründiges Statement des Bassisten und Komponisten, der seit seinem Umzug nach New York im Jahr 2014 zu einer allgegenwärtigen Figur in der Jazzszene der Stadt geworden ist.
„Nach meinen beiden vorherigen Alben, auf denen das Klavier (Jon Cowherd) im Vordergrund stand, hatte ich das Gefühl, dass ich beim nächsten Album einen anderen Sound wollte“, so Dreyer. „Also habe ich überlegt, wie ich das am besten umsetzen könnte. Ich habe verschiedene Instrumente in Betracht gezogen, bevor ich mich für das Vibraphon entschieden habe. Ich finde, es prägt die Musik einfach sehr stark. Außerdem hat Dave Hollands Einsatz des Vibraphons auf mehreren seiner Alben meine Entscheidung definitiv beeinflusst.“
Und was die 27-jährige Sasha Berliner aus der Bay Area mitbringt, ist etwas ganz Einzigartiges. Sie wurde 2018 vom SFJAZZ Magazine zu einer der „10 aufstrebenden Instrumentalistinnen, die man kennen sollte” gekürt, von JazzTimes als „junge Meisterin der Mallets” bezeichnet und im Alter von 21 Jahren im Downbeat Critics Poll 2020 zur Nummer 1 der aufstrebenden Vibraphonistinnen gewählt.
An ihrer Seite steht Pennicott, einer der mitreißendsten Saxophonisten der aktuellen Szene, unterstützt vom treibenden Rhythmus-Duo Salters und Dreyer. Zusammen sorgen sie auf Roots and Things für eine bemerkenswerte Chemie von Track zu Track. Zum Titel erklärte Dreyer: „Ich dachte, er habe mehrere Bedeutungen, aber für mich dreht sich alles um den Bass, denn das ist es, was ich meistens mache: die Grundnote spielen.“
Das Album beginnt mit dem minimalistischen „The Fifth Floor“, untermalt von Berliners hypnotischem Vibraphon-Ostinato und angetrieben von Salters knackigem, kraftvollem und präzisem Schlagzeugspiel „Constellation“ ist ein freizügiger Swinger, bei dem Pennicotts kühnes Tenorsaxophon das Eröffnungsmotiv intoniert, bevor es zu einem wogenden Uptempo-Solo übergeht, das vom unfehlbaren, treibenden Bass des Bandleaders und Salters interaktiven Attacken auf dem Schlagzeug angetrieben wird. Berliner steuert hier ebenfalls ein belebendes, vom Bop inspiriertes Solo bei, gefolgt von Dreyer mit einem kraftvollen Solo, das in seinen Basshelden Paul Chambers, Dave Holland, George Mraz und Niels-Henning Ørsted Pedersen verwurzelt ist.
Der kantige „Follower“ ist eine Startrampe für einige kraftvolle Erkundungen des Tenorsaxophonisten Pennicott und der Vibraphonistin Berliner. Schlagzeuger Salters entfesselt sich an seinem Kit über einem Band-Ostinato in diesem intensiv groovenden Stück. In „June Tune“ kehrt etwas mehr Ruhe ein, ein geheimnisvoller, harmonisch reichhaltiger Titel, der Berliner, Pennicott und Dreyer reichlich Raum für Soli lässt, wobei dessen tiefklingende Erkundungen hier ein lyrisches Highlight darstellen.
Das feurige Interlude „Land of 1,000 Blues“ ist eine kurze (nur 20 Sekunden), aber heftig swingende Interpretation von Chris Kenners Rockklassiker „Land of 1,000 Dances“ aus dem Jahr 1962, der später durch Hit-Single-Versionen von Cannibal & the Headhunters und Wilson Pickett berühmt wurde. Es ist das erste von vier solchen Übergängen auf Roots and Things. „Ich dachte, ich könnte diese Zwischenspiele einfach zwischen den Hauptsongs einbauen, um die Stimmung neu zu setzen”, erklärte Dreyer. „Wenn man also das ganze Album durchhört, kommt man zu diesen Resets und kann den nächsten Song wieder neu genießen.”
Der einzige Cover-Song auf diesem Album, eine modernistische 5/4-Version des Rodgers & Hart-Showtunes „With a Song in My Heart“ aus dem Jahr 1929, ist eine Bühne für einige eindringliche Improvisationen von Berliner, Pennicott und Dreyer. Es folgt ein weiteres Intermezzo, das hüpfende Midtempo-Stück „Bodega“, das nach 32 Sekunden eindringlichem Swing und Walking Bass ausklingt. Die verträumte Ballade „Downtime“, untermalt von Salters‘ Brushwork und Berliners resonantem Comping auf dem Vibraphon, offenbart das Gespür des Bandleaders für kontrapunktisches Spiel. Berliner, Pennicott und Dreyer liefern jeweils brillante, ausdrucksstarke Soli zu diesem ergreifenden Stück.
Das feurige „Fight or Flight“, ein Uptempo-Stück mit einem komplexen Kopf und einem Riff, das an Wayne Shorters „Yes or No“ erinnert, entfesselt einige funkelnde Soli von Berliner und Pennicott, begleitet von Dreyers entschlossenen Walking-Bass-Linien. Vibraphon und Saxophon liefern sich einen rasanten Schlagabtausch mit Schlagzeuger Salters, während das Stück an Fahrt gewinnt.
Das 42 Sekunden lange Interlude „MTA“ swingt kraftvoll mit einigen präzise synchronisierten Schlägen, während „Hold On“ das kontrapunktische Spiel des Bandleaders und Salters hochgradig interaktive Instinkte am Schlagzeug zur Geltung bringt. Pennicott und Dreyer liefern jeweils tiefgründige Soli zu Berliners flüssigem Vibraphon-Begleitpart in diesem eindringlichen Stück in Moll.
„Room 1102“, benannt nach Dreyers Zimmer im Studentenwohnheim des City College, basiert auf einem bezaubernden Ostinato, das Schlagzeuger Salters die Freiheit gibt, sich ungehindert auf seinem Kit auszutoben. Der Titeltrack ist ein wunderschön stimmungsvoller Titel, in dem Berliner mit ihrem schwebenden Vibraphon einen Hauch von Geheimnis hinzufügt, während Dreyers kontrapunktische Basslinien und Salters knackig interaktives Schlagzeugspiel dem Stück einen soliden Anker verleihen. Berliner, Pennicott und der Bandleader liefern hier jeweils kraftvolle und fesselnde Soli.
Das 20-sekündige Interlude „Invisible“ gibt einen kurzen Vorgeschmack auf Pennicotts Saxophon in Kombination mit Salters‘ Brushwork, bevor „Big Apple“ mit der Kraft von Salters‘ kraftvollem Backbeat und Dreyers klangvollen Basslinien eindrucksvoll einsetzt. „Ich habe diesen Song gerade geschrieben und fand, dass er ein bisschen wie Brad Mehldau klingt, der auf irgendwelchen Popsongs spielt. Und tatsächlich hat Oscar Peterson das schon in den 70er Jahren gemacht, wo es fast wie ein Backbeat ist, aber auch diese treibende, swingende Qualität hat.“ Berliner und Pennicott liefern jeweils beschwingte, mitreißende Soli zu diesem kraftvollen Groove.
Roots and Things endet mit dem klassisch angehauchten „Choral Diner“, in dem der Bandleader vier Arco-Bässe in einer Art Kammerquartett-Setting überlagert. „Es ist ein Wortspiel“, sagt der Komponist. „Denn es ist ein Choral, aber es ist auch nach dem Coral Diner benannt, das früher um die Ecke von meiner Wohnung lag.“
Roots and Things ist Dreyers bislang persönlichste Aufnahme und markiert einen neuen Meilenstein in der sich weiterentwickelnden Karriere dieses aufstrebenden Talents.
Musiker des Quartetts im Kurzportrait
Jakob Dreyer
Jakob Dreyer begann im Alter von vier Jahren mit dem Klavierunterricht und wechselte mit 14 Jahren zum Bass. Er erwarb einen Bachelor-Abschluss an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg, wo er sowohl Klassik als auch Jazz studierte. Anschließend studierte er am Amsterdamer Konservatorium, bevor er sich viele Jahre lang als gefragter Sideman in Deutschland etablierte und mit nationalen Künstlern wie Gabriel Coburger, Sandra Hempel und Sebastian Gille sowie internationalen Künstlern wie Dusko Goykovich, Nils Landgren und Delfeayo Marsalis zusammenarbeitete.
2014 zog er nach New York City und erwarb im folgenden Jahr einen Master-Abschluss in Performance am City College of New York, wo er bei John Patitucci studierte. Dreyer hat mit einer Vielzahl namhafter Jazzkünstler zusammengearbeitet, darunter Steve Wilson, Rich Perry, Anna Webber, Jochen Rueckert, Mike Holober, Rogerio Boccato, Glenn Zaleski, Jon Davis, Tobias Meinhart, Jamie Baum, David Berkman, Ron Blake, Billy Drewes, Mareike Wiening, Troy Roberts, Marta Sánchez, Alex Goodman und Manuel Valera. Außerdem hat er als Sideman auf über 30 Alben mitgewirkt.
Als seine wichtigsten musikalischen Vorbilder nennt Dreyer Paul Chambers, Dave Holland, George Mraz und Niels-Henning Ørsted Pedersen sowie die Bassisten von Bill Evans, Scott LaFaro, Eddie Gomez, Gary Peacock und Marc Johnson, und die skandinavischen Bassisten Anders Jormin und Palle Danielsson. Er nennt die Blue-Note-Ära der frühen 60er Jahre mit Wayne Shorter und Herbie Hancock als wichtige kompositorische Einflüsse, zusammen mit Bill Evans, Joe Henderson, Chick Corea, Kenny Wheeler und J.S. Bach.
www.jakobdreyer.com
Tivon Pennicott
Tivon Pennicott, ein gebürtiger Georgier, der in New York City lebt, ist ein gefragter Saxophonist, Komponist und Sänger. Er wirkte maßgeblich an drei mit dem GRAMMY ausgezeichneten Alben mit: Esperanza Spaldings bahnbrechendem Album „Radio Music Society“ (Heads Up International, 2012) sowie Gregory Porters „Liquid Spirit“ (Blue Note, 2013) und „Take Me to the Alley“ (Blue Note, 2017).
Im Fernsehen war Pennicott regelmäßig in der „Late Show with Stephen Colbert“ als Mitglied der Stay Human Band mit Jon Batiste zu sehen, bevor er seine Alben „Chronology of a Dream: Live At The Village Vanguard“ (Verve, 2019) und „Anatomy of Angels“ (Verve, 2019) veröffentlichte.
Sein sich stetig weiterentwickelnder Sound basiert auf einem gefühlvollen, raffinierten Groove, den er in der Kirche verfeinerte, und seiner Vorliebe für ungebändigte harmonische Erkundungen.
Pennicott tourte und arbeitete mit Visionären wie Roy Hargrove und dessen RH Factor-Projekt sowie Kenny Burrell und seinen Jazz Heritage All Stars zusammen. Nach den Aufnahmen zu Kenny Burrells Album „Be Yourself“ (2010, High Note Records) pflegt Pennicott seit einem Jahrzehnt eine enge Zusammenarbeit mit dem produktiven Gitarristen und seiner Band. Parallel dazu tourte Pennicott mit Gregory Porter um die Welt und trat in legendären Konzerthäusern wie der Royal Albert Hall in London, der Berliner Philharmonie und der Carnegie Hall in New York auf, um nur einige zu nennen.
Sasha Berliner
Sasha Berliner ist Musikerin, Komponistin, Produzentin und Bandleaderin aus San Francisco, Kalifornien. Die ehemalige Rock-Schlagzeugerin hat sich dem Vibraphonspiel zugewandt. Sie trat bereits als Headlinerin in internationalen Jazzclubs wie dem Newport Jazz Festival, dem Blue Note, dem Montreal Jazz Festival und dem Monterey Jazz Festival auf.
Neben ihren Auftritten mit ihrer eigenen Band hat sie mit renommierten Musikern wie Tyshawn Sorey, Nicholas Payton, Christian McBride und Cecile McLorin Salvant zusammengearbeitet und live gespielt. Sie ist Endorserin für Marimba One und Vater Drumsticks. Sasha war Gastdozentin an der University of Champaign-Illinois, der UC San Diego, dem Stanford Jazz Workshop und dem Berklee College of Music und ist derzeit Professorin für Jazz und Jazzkomposition an der UC Irvine.
Kenneth Salters
Kenneth Salters, Schlagzeuger, Komponist und Bandleader, ist eine feste Größe in der unabhängigen Jazzszene des New Yorker West Village und weltweit als gefragter Sideman. Geboren in New Haven, Connecticut, und aufgewachsen in Columbia, South Carolina, begann Salters seine musikalische Laufbahn an der Posaune, bevor er an der University of South Carolina Schlagzeug studierte. Seit seinem Umzug nach New York im Jahr 2006 hat er mit Größen des Jazz und R&B wie Don Byron, Chris Potter und Aretha Franklin zusammengearbeitet.
Tracklist
The Fifth Floor (2:11)
Constellation (5:57)
Follower (4:36)
June Tune (5:50)
Land of 1000 Blues (0:24)
With a Song In My Heart (5:20)
Bodega (0:32)
Downtime (6:22)
Fight or Flight (5:46)
MTA (0:42)
Hold On (5:14)
Room 1102 (1:57)
Roots and Things (5:21)
Invisible (0:21)
Big Apple (5:06)
Choral Diner (0:40)
Line-up
Jakob Dreyer – Bass
Tivon Pennicott – Tenor Sax
Sasha Berliner – Vibraphone
Kenn Salters – Drums
Credits
All compositions by Jakob Dreyer except “With a Song in my Heart“ written by Richard Rodgers & Lorenz Hart, arrangements by Jakob Dreyer