
Patti Smith
Titel: Horses (50th Anniversary)
Formate: Vinyl, CD, Digital
VÖ: 10.10.2025
Label/Vertrieb: Sony Music
Homepage: https://www.pattismith.net/intro
Inhaltsverzeichnis
- Patti Smith
- Rezension (Album)
- Das Monument der Punk-Poesie feiert 50. Jubiläum
- „Horses“ als kultureller Wendepunkt
- Poesie und biografische Reflexionen
- Technische Innovation und Studioarbeit
- „Horses“: Ein visueller Ikonenstatus auch durch den Fotografen Robert Mapplethorpe
- Rezeption zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veröffentlichung
- Langzeiteinfluss und Vermächtnis
- Die 50th Anniversary Edition
- Tracklist (Vinyl-Originalausgabe)
- Line-Up
- Credits
- YouTube (Snowball)
Rezension (Album)
Das Monument der Punk-Poesie feiert 50. Jubiläum
Mit dem 50. Jubiläum von Patti Smiths bahnbrechendem Debütalbum „Horses“ erscheint am 10. Oktober 2025 eine entsprechend würdevolle Neuauflage, die nicht nur die Bedeutung dieses Meilensteins der Rockgeschichte feiert, sondern auch bisher unveröffentlichte Schätze aus den originalen Aufnahmesitzungen präsentiert. Diese Jubiläumsedition markiert nicht nur ein halbes Jahrhundert seit der ursprünglichen Veröffentlichung am 10. November 1975, sondern bestätigt erneut die ungebrochene Relevanz eines Albums, das die Grenzen zwischen Rock und Poesie auf revolutionäre Weise durchbrach.
„Horses“ als kultureller Wendepunkt
„Horses“ entstand in einer Zeit des kulturellen Umbruchs, als die New Yorker Undergroundszene neue musikalische Ausdrucksformen suchte. Patti Smith, die zuvor als Dichterin tätig war, verfolgte mit diesem Werk das ambitionierte Ziel, Poesie und Rock’n’Roll zu einer neuen künstlerischen Einheit zu verschmelzen. Das Album wurde im September 1975 in den Electric Lady Studios aufgenommen, mit dem ehemaligen Velvet Underground-Mitglied John Cale als Produzent, der Smith’s rohe Live-Energie in eine studiogerechte Form bringen sollte.
Die musikalische Vision von „Horses“ war geprägt von minimalistischen Punk-Ästhetiken, durchbrach jedoch die typischen Drei-Akkord-Strukturen durch ausgedehnte Improvisationen und Anleihen aus Avantgarde, Free Jazz und anderen musikalischen Stilrichtungen.
Smith selbst beschrieb das Werk als „Three-Chord Rock merged with the power of the word“ – eine Formel, die sowohl die musikalische Reduktion als auch die literarische Ambition des Projekts auf den Punkt bringt.
Poesie und biografische Reflexionen
Die lyrischen Inhalte von „Horses“ schöpfen aus verschiedenen Quellen:
Autobiografische Erfahrungen, literarische Inspirationen und kulturelle Mythen verschmelzen zu einer einzigartigen narrativen Textur. Songs wie „Redondo Beach“ entstanden aus persönlichen Erlebnissen mit ihrer Schwester Linda, während „Kimberly“ eine Hommage an ihre jüngere Schwester darstellt und eine Kindheitserinnerung während eines Gewitters verarbeitet.
Besonders bemerkenswert ist Smith’s Umgang mit bestehenden Rock-Standards: „Gloria“ transformiert Van Morrison’s Original durch die Integration ihres eigenen Gedichts „Oath“, während „Land“ Chris Kenner’s „Land of a Thousand Dances“ als Ausgangspunkt für eine ausgedehnte Erzählung über den Charakter „Johnny“ nutzt – eine Anspielung auf William S. Burroughs‘ „The Wild Boys“.
Diese Technik der Dekonstruktion und Neuinterpretation etablierte Smith als einflussreiche Figur der entstehenden Punk-Bewegung.
Technische Innovation und Studioarbeit
Die Zusammenarbeit zwischen Smith und Produzent John Cale gestaltete sich als kreative Reibung zwischen verschiedenen künstlerischen Visionen. Während Cale eine strukturiertere, an Arrangements orientierte, Herangehensweise bevorzugte, beharrte Smith auf der spontanen Energie ihrer Live-Auftritte. Diese Spannung resultierte in einem Album, das sowohl die rohe Unmittelbarkeit der Band als auch die kultivierte Produktion John Cale’s widerspiegelt.
Die Aufnahmen fanden vom 2. bis 18. September 1975 statt, wobei Cale zunächst neue Instrumente beschaffen musste, da sich die ursprüngliche Ausrüstung der Band in einem verheerenden Zustand befunden haben soll.
Die finale Session am 18. September war bewusst auf den fünften Todestag von Jimi Hendrix terminiert, um „Elegie“ – eine Hommage an den verstorbenen Gitarristen – an diesem symbolträchtigen Datum aufzunehmen.
„Horses“: Ein visueller Ikonenstatus auch durch den Fotografen Robert Mapplethorpe
Das Coverbild von „Horses“ ist untrennbar mit der kulturellen Bedeutung des Albums verbunden. Robert Mapplethorpe, Smith’s langjähriger Freund und späterer Protagonist ihres Romans „Just Kids“, schuf mit diesem Porträt ein zweifellos ikonisches Albumcover.
Das Foto entstand in der Greenwich Village Penthouse-Wohnung von Sam Wagstaff, Mapplethorpe’s Partner, bei natürlichem Licht vor einer einfachen weißen Wand.
Smith trug ein weißes Hemd aus einem Salvation Army Shop und warf ihre schwarze Jacke lässig über die Schulter – eine Pose, die sie selbst als „Frank Sinatra Style“ beschrieb.
Robert Mapplethorpe machte nur zwölf Aufnahmen, und bereits beim achten Bild war er überzeugt, das perfekte Motiv gefunden zu haben. Die androgyne Ästhetik und die selbstbewusste Haltung stellten einen radikalen Gegenentwurf zu den üblichen Darstellungen weiblicher Künstlerinnen dar und etablierten Smith als ikonische Figur jenseits traditioneller Geschlechterrollen.
Heute hängt diese legendäre Aufnahme in der Tate Gallery, London.
Rezeption zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veröffentlichung
Bei seiner Veröffentlichung erntete „Horses“ überwiegend enthusiastische Kritiken und erreichte Platz 47 der Billboard 200, was für ein Debütalbum ohne nennenswerte Radiorotation beachtlich war.
Die britische Musikpresse reagierte gemischt.
Während Jonh Ingham von Sounds eine Fünf-Sterne-Bewertung vergab und das Album als „record of the year“ bezeichnete, kritisierten andere die minimalistischen Arrangements als mangelnde technische Kompetenz.
Diese polarisierenden Reaktionen spiegelten die revolutionäre Natur des Albums wider, das etablierte Konventionen der Rockmusik grundlegend in Frage stellte.
Langzeiteinfluss und Vermächtnis
„Horses“ wird häufig als erstes echtes Punk-Album bezeichnet und gilt als Schlüsselwerk für die Entwicklung von New Wave, Alternative Rock und Indie Rock.
Siouxsie Sioux von Siouxsie and the Banshees bezeichnete Smith als „the first real female writer in rock“ neben Nico.
Die anhaltende Relevanz manifestiert sich in zahlreichen Auszeichnungen: 2009 wurde „Horses“ in das National Recording Registry der Library of Congress aufgenommen, 2021 in die Grammy Hall of Fame. Der amerikanische Rolling Stone listet das Album auf Platz 26 ihrer aktualisierten Liste der 500 größten Alben aller Zeiten.
Die 50th Anniversary Edition
Die Jubiläumsausgabe präsentiert das originale Album als „“Direct Remastering“ von den ursprünglichen Masterbändern, ergänzt um bisher unveröffentlichte Songs und Demoversionen.
Besonders bedeutsam sind die RCA-Demobänder von 1975, die Smith’s ursprüngliche Vision vor der finalen Studioarbeit dokumentieren. Diese Raritäten bieten Einblicke in den kreativen Prozess und zeigen alternative Entwicklungen der später auf dem Album genutzten Versionen.
Die 50th Anniversary Edition würdigt nicht nur das ursprüngliche Werk, sondern unterstreicht völlig zurecht dessen unverminderte Relevanz für zeitgenössische musikalische und kulturelle Diskurse.
Eine Sonderedition für Sammler oder für diejenigen, deren Vinyl in all den Jahren ordentlich gelitten hat. Die auf CD 2 oder LP 2 versammelten Bonustitel stellen für mich zudem einen lohnenswerten Mehrwert gegenüber den bisherigen Veröffentlichungen dar.
Beim Recherchieren habe ich in meinem Regal die 2005er Legacy Edition des Albums entdeckt. Auf CD 2 befindet sich die 30th Anniversary-Live-Präsentation des Albums in der Royal Festival Hall, London.
Es ist an der Zeit, diese CD wieder einmal einzulegen.
Tracklist (Vinyl-Originalausgabe)
Seite A:
- Gloria (In Excelsis Deo/Gloria) – 5:54
- Redondo Beach – 3:24
- Birdland – 9:16
- Free Money – 3:47
Seite B:
- Kimberly – 4:26
- Break It Up – 4:05
- Land (Horses/Land of a Thousand Dances/La Mer(de)) – 9:36
- Elegie – 2:42
Bonusmaterial (50th Anniversary Edition)
- Gloria
- Redondo Beach – Demo
- Birdland – Alternate Take
- Snowball
- Kimberly – Alternate Take
- Break It Up – Alternate Take
- Distant Fingers
- The Hunter Gets Captured by The Game
- We Three
Line-Up
Patti Smith Band
- Patti Smith – Vocals
- Lenny Kaye – Lead Guitar
- Ivan Král – Guitar, Bass
- Richard Sohl – Piano
- Jay Dee Daugherty – Drums
Gastmusiker
- Allen Lanier (Blue Öyster Cult) – Guitar bei „Elegie“
- Tom Verlaine (Television) – Guitar bei „Break It Up“
Credits
Produktion und Technik:
- Produzent: John Cale
- Engineering: Bernie Kirsh
- Assistant Engineering: Frank D’Augusta
- Mastering: Bob Ludwig, Bernie Kirsh
- Aufnahmestudio: Electric Lady Studios, New York City
- Aufnahmezeitraum: 2.-18. September 1975
Design und Artwork:
- Cover-Fotografie: Robert Mapplethorpe
- Artwork Design: Bob Heimall